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Nr. 55. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
I. H. Fichte: Anthropologie.
(Schluss.)
Indem sie sich ihren Raum und ihre Zeit setzt, erscheint sie aber als ein
Stoffliches. Also gehört zum Begriffe der Qualität nothwendig das Stoffliche,
und die Lehre von den einfachen, aber unterschiedenen Qualitäten oder Ei-
genthümlichkeiten führt immer wieder zur Atomistik, welche kaum ohne eine
materialistische Auffassung zu denken ist. Wir würden also auf einfache, ma-
terielle Kraftwesen zurückkommen müssen, bei welchen also schon in der
Einheit die Zweiheit zu dem sich entfaltenden Idealismus und Realismus läge.
Das sich Setzen oder Erfüllen eines bestimmten Raumes und einer bestimm-
ten Zeit durch die qualitativen Elemente wird aber zugleich mit diesen ge-
dacht werden müssen, weil diese ohne das Erstere zu blossen Abstractis,
nicht existirenden Gedankendingen heruntersinken. In diesem Falle ist die
Materie, wie bei den Griechen, nur ewig zu denken. Lässt man sie erst hin-
tennach durch das sich Setzen und Erfüllen des Raumes und der Zeit von
Seite der qualitativen Elemente, also durch das Verhältniss des Geltendmachens
derselben gegen einander entstehen, so erhält man ein Luftgebilde, welches
nie zu einer Materialität gelangen kann, weil es nur als ein Begriff der Mög-
lichkeit erscheint, welche bei dem Mangel an den zum Realwerden nothwen-
digen Bedingungen sich nie als Wirklichkeit gestalten kann.
Referent ist übrigens trotz diesen aus der alleinigen ursprünglichen Kate-
gorie der Qualität deducirbaren Consequenzen ferne davon, dem Hm. Verf.
etwa den Vorwurf des Materialismus machen zu wollen. Sein System könnte
viel eher Idealismus und Individualismus genannt werden. Denn die ganze Welt
ist ihm zuletzt eine Summe von ihren bestimmten eigenthümlichen Raum und
ihre bestimmte eigenthiimliche Zeit setzenden-erfüllenden Realen oder Kraft-
wesen, Seelen, welche alle ihre Grundeinheit in Gott haben, dabei von Anfang
ihrer Existenz an von einander wesentlich verschieden sind. Dann verliert
sich aber in solcher Auffassung die Materie zum blossen Scheine, der nur durch
das Verhältniss der Monaden entsteht, wie sich diese in ihrem Sein einander
gegenüber geltend machen. Die Welt wird in diesem Falle so lange vergei-
stigt, bis von der eigentlichen Substantialität der Materie, welche nur durch
das Vereinigen in Affinität stehender Monaden und durch das daraus hervor-
gehende Verhältniss anderen Monaden gegenüber entstehen soll, so viel, als Nichts,
mehr übrig bleibt. So kann diese Theorie, da sie sich nicht überall auf dem
Boden der Erfahrung an die Erscheinungen der Menschenseele hält, eben so
leicht in Materialismus, als in Idealismus umschlagen und dadurch abermals
die im kritischen Theile häufig gerügten Gegensätze herbeiführen. Weiteren
Aufschluss über den Zusammenhang von des Ilrn. Verf. Anthropologie mit
dem Systeme seiner Ontologie wird wohl der zweite Theil dieses Werkes,
XLIX. Jahrg. 11. Heft. 55
 
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