Heidelberger Jahrbücher der Literatur (49,2.1856)

Nr.36. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kurze Nachrichten über die neueste Literatur Italiens.
Unsere Vorfahren verwalteten sich selbst, ohne sich die Zeit
mit Systemen der Regierungs-Verfassung und den Verwaltungs-Nor-
men zu vertreiben, ohne dass weitläuftige Erörterungen über Capital,
Arbeit, Handel und Industrie bekannt waren. Hierin finden manche
den Beweis des goldenen Zeitalters, und die französische clerikale
Zeitung, L’Univers, beweist dies aufs bündigste, indem sie behauptet,
dass die Welt damals unter dem grossen Moralgesetz lebte, dass
es für die Völker keinen andern Reichthum gäbe, als die Tugend,
welche lehrte, seine Begierden im Zaum zu halten. Zum Beweise
wird der Wohlstand der Egypter und der Israeliten im Alterthum
angeführt; allein da dieses Blatt doch nicht gut von den Hunger-
jahren in dem ersten Lande, und von dem Elende schweigen
konnte, das die Propheten bei dem auserwählten Volke Gottes be-
klagten, so führt es zum Beweise die geistlichen Orden an. Von
diesen wird gerühmt, dass sie mehr erwarben als ausgaben, daher
sie die Armuth unterstützen konnten. Freilich müssen die Orden
viel erworben haben, wenn man an die prachtvollen Klöster denkt,
die sonst den Reichthum Europas in sich fassten, wie die grossen und
reichen Abteien, vom Escurial bis zu den Camaldulensern bei Neapel
und den reichen Commenden der Hospitaliter und deutschen Herren,
die als wohlthätige Kaufleute aus Amalfi und Bremen den ersten Grund
zu diesen Wohlthätigkeits-Anstalten legten. Für Frankreich mögen
solche Behauptungen genügen; in Deutschland kennt man doch die
Geschichte besser, um darin den Beweis zu finden, dass alle Werke,
welche jetzt über Staatswirthschaft geschrieben werden, nicht über-
flüssig sind. In Italien hat dieses Studium in der neuesten Zeit einen
grossen Umfang gewonnen, wie aus der grossen literarischen Unter-
nehmung der bedeutenden Buchhandlung Pomba in Turin zu entneh-
men ist, für welche der Professor der Staatswirthschaft, Ferrara, eine
Uebersetzung der bedeutendsten Werke über dieses Fach herausgibt.
Ferrara wurde jüngst dadurch bekannt, dass er in Palermo die erste
statistische Zeitschrift in Sicilien herausgab, welche sehr viel geleistet
hat (s. Sicilien von Geheimenrath Neigebaur, Leipzig, II. Auflage
1849. 2 Bände). Diese Sammlung staatswirthschaftlicher Werke,
ist eine der bedeutendsten literarischen Unternehmungen Italiens;

1) Biblioteca dell’ Economista. Scelta Collezione delle piü importanti
produzioni di economia politica antiche e moderne, Italiane e straniere di
diretta di Francesco Ferrara, professore dell’ economia politica nella R. Univer-
sitä di Torino. Torino. Tip. Pomba. gr. 8. 1850—55. XII. Vol.
XLIX Jahrg. 8. Heft. 3ß