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Nr. 35. HEIDELBERGER 1860.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Literaturberichte aus Italien.

Die Lehrer des Staatsrechts in Italien auf den Universitäten halten sich
weniger bei der Beleuchtung von Theorien auf, sondern fesseln ihre Zuhörer
durch Anführungen von geschichtlichen Thatsachen, am wenigsten aber halten
sie sich damit auf, die betreffende Literatur oder Beweisstellen zu diktiren,
wodurch der Vortrag unterbrochen, und nicht die klare Anschauung erreicht
wird, wie durch geschichtliche Beispiele. In diesem Sinne ist folgendes Werk
über Staatsverfassung geschrieben:
1 Gövernanli ed i governati di Domenico Ceruti, Pavese. Milano 1859. Tip. di
classici llaliani.
Der Verfasser fängt damit an, den Menschen und seine Rechte dem Des-
potismus entgegenzustellen, und indem er die durch den letzteren erzeugten
Uebel bezeichnet, erzählt er das Leben des Grafen Sitilo, welcher wegen po-
litischer Meinungen in der Verbannung sterben musste. Dagegen zeigt er den
Unterschied zwischen dem Despoten und einem guten Fürsten, in dem Leben
Heinrich IV. und Amcdeas VIII. von Savoien, besonders aber von Ludwig VIII.,
dem Heiligen, namentlich während seines letzten Kreuzzuges. Indem der Ver-
fasser zeigt, wie die Erziehung die Herrscher verdirbt, führt er die Gräuel der
Bartholomäus-Nacht vor und zeigt den Unterschied jener Zeit mit der Ge-
genwart. Mit besonderer Vorliebe führt der Verfasser Beispiele aus der Ge-
schichte seiner Vaterstadt Paria an, und bemerkt bei Gelegenheit des Besu-
ches Petrarcas in Pavia, mit wie hohen Personen er in inniger Freundschaft
lebte, mit Robert, König von Neapel, mit mehreren Dogen von Venedig, mit
den Herzogen von Este und Gonzaga, mit den Fürsten Malatesta, della Scala,
Carrara u. a. m., sowie mit den Päpsten Johann XXII., Benedict XI., Cle-
mens VI., Innocenz VI. und Urban V., selbst mit Cola di Rienzi.
Da die Gelehrten in Italien stets eine sehr geachtete Stellung in der Ge-
sellschaft haben, erreichen sie sehr oft eine politische Bedeutung, die ihnen
in andern Ländern nicht zu Theil wird. Ein solcher Mann ist Gioberti, des-
sen Leben in folgendem Werke enthalten ist:
Ricordi biograiici di Vincenzo Gioberti, di G. Massari. Vol. 1. Torino 1860.
Presso Botta. 8vo. p. 383.
Der Verfasser hat früher die nachgelassenen Werke Gioberti’s her-
ausgegeben , er hat dabei sich genaue Kunde von seinem Leben ver-
schafft, von welchem er hier den Zeitraum von 1801 bis 1838 mit-
theilt. Kurz vor dem Tode Alfieri’s, des eben so reichen als geist rei-
chen Markgrafen, ward Gioberti 1801 zu Turin von armen Eltern geboren,
LIII Jahrg. 7. Heft. 35
 
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