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Nr. 60. HEIDELBERGER 1860.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Badische Schulprogramme.
Wir geben in dem Nachfolgenden eine Uebersicht der Programme, oder
vielmehr der wissenschaftlichen Beigaben, welche den am Schlüsse des Schul-
jahres an den gelehrten Anstalten des Grossherzogthum Baden’s erschienenen
Programmen beigefügt sind, wobei wir uns jedoch, wie wir dies auch früher
stets gethan haben, auf ein einfaches Referat über Inhalt und Gegenstand be-
schränken. Wenn wir bedauern, unter diesen gelehrten Beigaben keine ein-
zige zu finden, welche in lateinischer Sprache abgefasst ist, so glau-
ben wir dies mehr zufälligen Rücksichten zuschreiben zu müssen und hoffen
im nächsten Jahre dafür entschädigt zu werden.
Wir beginnen, der alphabetischen Ordnung folgend, mit dem Lyceum zu
Carlsruhe, dessen Programm die folgende Beilage enthält:
Der philosophische Standpunkt des Sokrates. Ein Bruchstück aus der Geschichte
der griechischen Philosophie. Von Dr. Adolf Böhringer. Karlsruhe.
Druck der G. Braun’schen Hofbuchdruckerei. 1860. 42 S. in 8.
Diese Abhandlung enthält nach dem Vorwort nur den ersten Theil der
Untersuchung, bei welcher der Verfasser insbesondere bemüht war, „den an-
thropologischen Standpunkt und das ethische Princip des Sokrates, dadurch,
„dass er sie in directen Zusammenhang mit seiner Idee des Wissens brachte
„in ein helleres Licht zu setzen“: in dem andern Theile soll durch eine ein-
gehende Vergleichung des xenophontischen mit dem platonischen Sokrates das
in dem ersten Theil Gegebene theils ergänzt, theils näher begründet werden
In dem vorliegenden ersten Theil sucht der Verfasser vor Allem zu zeigen,
wie die ausschliesslich auf ethischem Gebiete sich bewegende Forschung des
Sokrates keineswegs als eine Folge einer überwiegenden Tendenz auf das
Praktische anzusehen sei, sondern vielmehr zu erklären sei aus der ihm ei-
genthümlichen Idee des Wissens, die nur auf ethischem Gebiet realisirt wer-
den konnte. Darum geht der Verfasser, nachdem er die Methode des Sokrates
besprochen, über zu der Betrachtung des obersten Grundsatzes der sokrati-
schen Ethik, wornach die Tugend ein Wissen ist und alle sittliche Thätigkeit
im Erkennen aufgeht (S. 17), das Denken selbst als ein sittlicher Akt be-
griffen wird und zwar als der höchste (S. 21). Sonach wird das Sittliche als
ein Erzeugniss des selbstbewussten Denkens begriffen und an das menschliche
Handeln die Anforderung gestellt, sich als ein aus der freien Ueberzeugung
des denkenden Subjects hervorgegangenes zu erweisen (S. 25). Dass Sokrates
mit einer solchen Lehre nur auf einzelne begabte Geister einwirken und einen
Einfluss üben konnte, während die Massen eher abgestossen als angezogen
wurden, scheint eine allerdings auch durch die Thatsachen bewährte Behaup-
tung zu sein. In der dritten Abtheilung (S. 25 ff.) kommt der Verfasser auf
das Verhältniss des Sokrates zu den Sophisten, die der Verfasser in Ueber-
LIII Jahrg. 12. Heft, 60
 
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