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Nr. 45. HEIDELBERGER 1860.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Der religiöse Glaube, Eine psychologische Studie, Als Beitrag zur Psychologie
und Religionsphilosophie non Dr. David Asher. Leipzig, Arnoldische
Buchhandlung, 1860, VI und 91 Seiten gr. 8.
Die Untersuchung über den Begriff des Glaubens ist eine von denen, die
für die Wissenschaft und das Leben von gleicher Wichtigkeit sind und insbe-
sondere das Verhältniss zwischen Philosophie und Religion nahe berühren.
Die Erklärung über den religiösen Glauben hängt davon ab, wie man im All-
gemeinen in den verschiedenen Arten des Denkens den Glauben auffasst.
Wir sehen hier von der eigenthümlich theologischen Bedeutung de» Wortes
Glaube ab, wo es die ganze gemüthliche Hingabe und Einigung des mensch-
lichen Geistes mit Gott bezeichnet, und ziehen die Sache in rein psychologi-
schen und logischen Betracht.
Um zu verstehen, was Glaube sei, muss man von dem vollständigen Be-
griff des Denkens und Erkennens ausgehen, denn bei Allem, was in unser
Bewusstsein tritt, beim Wahrnehmen, Meinen, Wissen, ist immer irgend ein
Glauben, d. h. ein An nehmen und Anerkennen der Sache, die wir
vernehmen, ein Zustimmen zu der eingesehenen oder vorgestellten Wahr-
heit. Was uns die Sinne empfinden lassen und sagen, wird im gemeinen Be-
wusstsein einfach so angenommen und als wirklich geglaubt, wie es erscheint,
anders freilich hat darüber der Idealist seinen Glauben sich gebildet. Jeder-
mann, der die philosophischen und mathematischen Vernunftwahrheiten ver-
steht, glaubt an die Gültigkeit dieser Lehrsätze. Was der Geist über Gott und
göttliche Dinge erkennt und erfährt, daran muss er glaubend festhalten. Selbst
der Zweifler hat seinen Glauben; die Verneinung, die er gegen Anderer
Ueberzeugungen ausspricht, macht dessen Inhalt aus. Der Materialist, der das
Immaterielle, das Reich der geistigen Freiheit und Sittlichkeit in seiner Wahr-
heit leugnet, bekennt sich um so starrgläubiger zu dem Dogma vom Stoff und
vom Mechanismus. Ohne Zustimmung zu seinen Gedanken würde der Geist
in Widerspruch mit sich selbst treten. Diese Zustimmung aber, diese Eini-
gung des Denkenden mit seinen Gedanken, vermöge deren der Geist die Er-
kenntniss als sachlich wahr setzt oder bejaht, ist nicht eine zu dem Erkennen
von aussen, durch ein anderes Vermögen, hinzukommende Handlung des
Geistes, sondern ein unveräusserlicher Bestandtheil im Gedankenleben, da sie
durch die Gegenwart des Gegenstandes vor dem Geiste, folglich durch das
Erkenntnissverhältniss selbst begründet ist. Allerdings erscheint
darin zugleich eine Bethätigung des Willens, jedoch innerhalb des Erkennt-
nissiebens, sodass der Glaube, wie wir ihn hier fassen, keineswegs aus dem
intellectuellen in’s moralische Gebiet zu verlegen ist. Jede Wahrheit fordert,
sofern sie selbst dem Geiste einleuchtet, unmittelbaren Glauben; und
da die Wahrheiten, gleich den Dingen, unter einander auch im Abhängigkeits-
verhältniss stehen, so kann das Fürwahrhalten der einen von der Gewissheit
LIII. Jahrg. 9. Heft, 45
 
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