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D. Asher: Der religiöse Glaube.

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Ueber die Schrift des Herrn Dr. Asb er reiche hier eine kurze Inhalts-
anzeige hin. Zu ausführlichem Eingehen auf seine Angaben sehen wir uns
durch seine Behandlungsweise des Gegenstandes nicht veranlasst. Denn er
bietet keine wissenschaftlich zusammenhängende Entwicklung der Sache, son-
dern er hat sich mit einer Zusammentragung von Ansichten und Aussprüchen,
eigenen und fremden, begnügt, die zwar nach einem gewissen Plane geordnet
und verbunden sind, aber von einer philosophischen Gedankenentfaltung steht
seine Arbeit weil ab. Sehr häufig erzählt der Verfasser bloss, was er selber
meint und behauptet, und das hätte füglich ganz unterbleiben sollen.
Nachdem der Verfasser die Frage über das Wesen der Seele und
die angeborenen Ideen flüchtig berührt hat, handelt er zuerst vom
Glauben im Allgemeinen, sodann, mehr in’s Einzelne gehend, kommt er
auf die sinnliche Wahrnehmung zu reden, stellt die Frage: ob es
eine absolute Wahrheit gebe, handelt von den synthetischen Ur-
theilen, von dem inneren Sinne, von der objectiven Wahrheit,
von Glauben und Wissen, über den Ursprung der Idee vom Da-
sein Gottes, (die Religion soll in Ahnungen ihren Ursprung haben
(S. 45), während doch Ahnungen nicht der Ursprung, sondern nur gewisse,
noch unklare Auffassungen der religiösen Ideen sind,); er geht dann über zu
der Betrachtung über die Entstehung und Entwicklung der ver-
schiedenen Re 1 igiοnssysteme, über die Beweise für das Dasein
Gottes und die Erkenntniss des Wesens Gottes, und nachdem er an
alle diese schwerwiegenden Probleme der Wissenschaft obenhin gestreift, ohne
ein einziges genügend zu erörterq, gelangt er endlich bei dem Hauptpunkte,
dem religiösen Glauben an (S. 62—70). Noch wird des Skepticis-
mus und des Atheismus Erwähnung gethan, worauf einige Bemerkungen
über Religionsunterricht und Glaubensinhalt, über Philosophie
und Religion hinzugefügt werden.
Der Verfasser, vornehmlich durch jüdische Lehrquellen genährt, scheint,
obschon er aus den angesehensten Schriftstellern der Philosophie Citate vor-
bringt, mehrentheils die Einwirkung ziemlich mittelmässiger Anregungen in
der Philosophie genossen zu haben; für die tieferen Betrachtungen hat ersieh
noch kein klares Verständniss erschlossen. Das Studium der populären phi-
losophischen Literatur unter literaturgeschichtlichem Gesichtspunkte dürfte für
ihn passender sein. Eine Anzahl der bedeutendsten und schwierigsten Fragen
der Philosophie werden bei ihm mit argloser Oberflächlichkeit abgemacht. In
zwei Hauptpunkten, welche insgemein die Untersuchung über den Glauben
angehen, müssen wir ihm hier ausdrücklich entgegentreten.
Zuerst hinsichtlich der entschieden sensualistischen Rich-
tung seines Philosophirens. Die bekannten Hypothesen des Sensualismus und
des ihm verwandten abstracten Empirismus würden nur dann haltbar erschei-
nen können, wenn man nachzuweisen vermöchte, dass in der sinnlichen Em-
pfindung alle Bestandtheile des menschlichen Erkennens und Denkens enthal-
ten seien, dass der ganze Erkenntnissbaum daraus, wie aus einem Keime,
hervorwachse. Dies wird aber trotz Locke und Condillac, trotz der
Sinnlichkeitslehre der älteren und neueren Materialisten, der ehemaligen und
heutigen Verehrer der speculationsfeindlichen Empiristik, niemals dargethan
 
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