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J. Sch al ler: Das Seelenleben des Menschen.

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des Triebes (S. 266) nur negativ erklärt. Der Trieb ist mehr
als das „Streben des Selbstgefühls, den ihm widersprechenden Zu-
stand aufzuheben“, er geht nicht allein aus dem „Gefühl der Un-
lust“ hervor; das ist vielmehr eine besondere Form des Triebes;
der ganze, volle Trieb, über jenen Gegensatz erhaben, geht unmit-
telbar auf die Verwirklichung des Lebensvermögens.
Der zweite Abschnitt bat das Selbstgefühl zum Ge-
genstände, theiis im Allgemeinen, theils wird im Besondern
vom Schlaf, von dem Selbstgefühl im wachen Leben und von
der Gewohnheit gehandelt. Das Selbstgefühl wird als der ein-
fachste psychische Process, der alle Empfindungen begleitet fS. 150.
210), bezeichnet. Letzteres ist wichtig, das Selbstgefühl ist Vor-
aussetzung für alle und jede besonderen Empfindungen, es kann da-
her aus diesen oder aus einer Beziehung derselben nicht erst her-
geleitet werden. Doch lässt sich deswegen nicht sagen, dass das
Selbstgefühl die „allgemeine, alle besonderen Formen des Geistes
in sich aufhebende Thätigkeit“ sei (S. 286); denn Vorstellung und
Bewusstsein gehen sowenig im Selbstgefühl auf, wie sie daraus her-
vorgehen, sie beruhen vielmehr auf einem eigentümlichen, dem
Selbstgefühl coordinirten Verhalten des Geistes, aber in die Hegel’-
sche Schablone passt keine Coordination der Art, das Selbstgefühl
wird daher an die Stelle des Selbstinneseins überhaupt gesetzt, wo-
von es doch nur eine besondere Art ist. — Im Schlafe soll, nach
dem Verfasser, die Seele zur Einfachheit des Selbstgefühles zurück-
kehren, der Tiefschlafende soll ohne Bewusstsein, ohne Vorstellung,
ohne Empfindung sein, nur das Selbstgefühl soll ihm bleiben. „Wir
wissen nicht, heisst es, zu sagen, was ihm vom Geiste übrigbleibt,
die Seele scheint aus ihm verschwunden“ (S. 286). Der Schlaf ist
ohne Zweifel eine Einkehr der Seele in sich und eine Lösung der
einzelnen Thätigkeiten, die dann durch keine Zweckbestimmung mehr
zusammengehalten und nach aussen gewandt werden; es ist ein Zu-
rückziehen auf sich und nach innen, wo die Thätigkeiten ihrem eig-
nen Spiel überlassen werden. Doch sind wir darum nicht berech-
tigt zu sagen, diese Einkehr und Entbindung sei ein Aufgehn aller
Thätigkeiten im einfachen Selbstgefühl, wie der Verf. will (S. 299);
an ein „Verschwinden des Geistes“ vermögen wir nicht zu glauben;
dass der Festschlafende ohne alle Empfindung sei, lässt sich nicht
behaupten, der Mensch hat immer, auch im Schlaf, ein gewisses
Befinden; ohne alle Vorstellungen wird er auch nicht sein, es schwe-
ben immer Bilder in der Seele. — Bei der Betrachtung des wachen
Lebens kommen die „Stimmungen“ der Seele zur Sprache; es wird
auf das selbständige Leben des Selbstgefühls hingedeutet, ein Punkt,
der von grosser Wichtigkeit ist, der aber in seiner ganzen Bezie-
hung im Gemüthsleben erklärt werden sollte, was freilich nur ge-
schehen kann , wenn die Grundvermögen des Geistes bestimmt un-
terschieden sind, was der Verfasser bei dem von ihm gewählten
Lehrgänge unterlassen hat. Das ganze Gefühlsleben, im weitesten
 
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