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784

J. Schall er: Das Seelenleben des Menschen.

Sinne des Wortes, muss in seiner relativen Selbständigkeit und in
seinen Grenzen, wie in seinen Beziehungen, erforscht werden. Was
der Verfasser von den Stimmungen und deren Schwankungen an-
führt, Verstimmung, Uebermuth und Zerstreutheit, sind vorzugsweis
quantitative Beschaffenheiten der Stärke und Fassung der Seele,
deren Erklärung sich der Lehre von dem geistigen Temperament
anreiht.
Im dritten Abschnitt wird vom Individuum gehandelt,
worunter hier die äussere Erscheinung des Menschen,
als Organ und Bild des Geistes, verstanden wird. Schaller
verfolgt die Entwicklung der Individualität von dem embryonischen
Leben an bis zur vollen ausdrucksamen Gestalt des Menschen. Die
Aufgabe der Physiognomik, welche die Mimik zur Grundlage
hat, wird angezeigt, die Schädellehre wird in der Kürze als
unhaltbar abgewiesen (S. 339), und durch die Frage: inwiefern die
geistigen Processe organisch bedingt sind, wird der Uebergang zur
Betrachtung des selbstbewussten Geistes genommen, welche das
Thema des zweiten, noch nicht erschienenen, Theiles der Psycho-
logie nach Schaller’s Eintheilung ausmacht. Der vorbemerkte Ge-
genstand des dritten Abschnitts, die ausdrucksame Erscheinung des
Geistes in der menschlichen Gestalt, hat offenbar nicht seine zu-
kommende Stelle in der Psychologie bei des Verfassers Anordnung
erhalten. Die äussere Erscheinung des Menschen ist ein Bild seines
ganzen geistigen Lebens, nach allen Richtungen der Thätigkeit, wie
auf allen Stufen, sie ist auch Bild seines selbstbewussten, freien,
sittlichpersönlichen Thuns und Verhaltens, wovon aber bei Schaller
in dem ganzen ersten Theile der Psychologie noch gar nicht ge-
handelt wird. Wir würden es vorziehen, von dem leiblichen Aus-
druck des geistig Inneren erst dann zu reden, wenn das Auszu-
drückende, das Leben des Vernunftgeistes, vollständig überschaubar
gemacht ist.
Ob der vierte Abschnitt des ersten Theiles, von den
krankhaften Zuständen der Seele, schon an diesen Ort
gehöre, und nicht vielmehr als Anhang an den Schluss der ganzen
Psychologie, darüber lässt sich ebenfalls mit dem Verfasser rechten;
es sei denn, dass ihn zu seiner Anordnung ein Motiv der Hegel’schen
Methode veranlasst habe, nach der es etwa beliebt werden mag,
den bewussten, vernünftigen, praktischen und sittlichen Geist, wir
dürfen in Hegel’scher Terminologie auch sagen den absoluten Geist,
aus seinem widersprechenden Gegentheil, durch Verneinung und
Aufhebung desselben, aus seiner Entfremdung und Entäusserung im
Seelenleben selbst, durch Kampf und Sieg allmälig aufsteigen zu lassen.
(Schluss folgt.)
 
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