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898

Schriften von Lilla und Galaseo.

in cio), dass Im Kehricht des Mittelalters sich oft kräftige und
tiefe Gedanken (concetti virili e profondi) und im Kehricht der
Neuzeit Seifenblasen (bolle di sapone) zeigen.« »Was für eine
andere Unabhängigkeit haben unsere Zeiten, fährt er S. 7 fort, als
den Fanatismus gegen das Vergangene und eine götzendienerische
Anbetung (idololatria) für alles das, was mit Sonnenaufgang ge-
boren wird und mit Sonnenuntergang stirbt, was von jenseits des
Meeres und von jenseits der Alpen herströmt (sic), für alles das,
was auf Erdschollen und Dampfmaschinen hinausläuft (sic) und,
wenn man heut zu Tage den Aristoteles nicht anbetet, wie im
Mittelalter, so betet man jetzt irgend einen andern weniger grossen
Gott, als diesen, an.« In diesem Tone preist der Herr Verf. das
Mittelalter auf Kosten der Neuzeit, die italienische Vergangenheit
auf Kosten der Leistungen der Gegenwart und anderer Völker. Er
zeigt wohl hier gewiss eine Voreingenommenheit auf seiner Seite,
wie er sie an andern tadelt.
Nach der einleitenden Anerkennung des Mittelalters beginnt
der erste Th eil der Schrift mit der Untersuchung über den
Begriff der Persönlichkeit und zwar mit der Bestimmung
derselben nach der Ansicht des Thomas von Aquino. Man
kann eine Vorliebe für das Mittelalter haben, aber man darf die
Vorzüge der Neuzeit, den Fortschritt der Menschheit in dieser Zeit
in politischer, religiöser, wissenschaftlicher, künstlerischer und sitt-
licher Hinsicht dabei nicht aus den Augen lassen. Sonst verfällt
man, indem man eine Voreingenommenheit vermeiden will, leicht
in eine andere, weit weniger zu rechtfertigende. Der Herr Verf.
hätte darum hier die Untersuchung des Begriffes der Persönlich-
keit nicht mit dem bei der italienischen Schule der Scholastiker
so hoch stehenden h. Thomas beginnen sollen. Nach Thomas
liegt das Wesen der Persönlichkeit im Vernunftprincip (principio
razionale). Es ist die höchste Stufe des Seins. Nicht auf die
Freiheit oder den Willen, sondern auf das Denken der Seele (men-
talita) ist das Gewicht zu legen. Sehr richtig sagt der Hr. Verf.
»Das Höchste in uns ist immer die Erkenntniss, so dass ein Wesen
sich besitzt, wenn es sich kennt und so viel besitzt, als es erkennt.
Wie viele Dinge könnten wir besitzen, wenn unsere Erkenntnisse
vollkommen wären?« ... »Sehet ihr nicht, dass der Mensch seine
Herrschaft über die Natur um so mehr ausdehnt, ein je grösseres
Gebiet der Erkenntniss sich die Intelligenz erobert, und dass er
die Herrschaft über das eigene Sein nur durch das eigene Denken
gewinnt? Darum ist der Wille (il selvaggio) nicht autonom, weil
er sich nicht besitzt, weil seine Intelligenz noch verdunkelt ist,
wie auch wir im ersten Zustande unseres Seins, in der Kindheit,
jene freie Herrschaft über unsere Handlungen nicht haben, weil
sich die Denkfähigkeit der Seele noch nicht entwickelt hat. Die
Freiheit ist erst eine Folge der denkenden Seele.« Ohne Erkennt-
niss gibt cs keine Freiheit. Die Vernunft muss den Menschen bei
 
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