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Schriften von Li 11a und Galasso.

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seinen Handlungen leiten, wenn er wirklich frei sein soll. Die
Freiheit ist das Gesetz, nach welchem sich die denkende Seele
entfaltet. Die Freiheit ist· das Mittel (mezzo) zum Ziel, zur Auf-
gabe des Menschen, welcher um so entfernter von seinem Ziele ist,
je weniger er seine denkende und erkennende Vernunft, das Wesen
seiner Seele, gebraucht; denn nur durch die Herrschaft dieser ent-
wickelt sich die Freiheit (S. 11 und 12). Die Freiheit beruht
darin, dass man das Gute ohne Zwang thut. Nothwendig liegt
aber in der freien Ausübung des Guten die Möglichkeit, Böses zu
thun. Das Gute ist nur unter der Voraussetzung des Bösen mög-
lich. Wenn die Möglichkeit, Böses zu thun, zur Wirklichkeit wird
(si traduce in atto), dann vernichtet sich die Freiheit selbst. Denn
jede freie Handlung darf nicht eine blinde und nothwendige, sie
muss die eines denkenden, intelligenten Wesens sein. Nicht dann
allein ist die Freiheit möglich, wenn das Subject wählt (sceglie),
sondern dann, wenn die Wahl nicht blind, nicht unvernünftig ist.
Die Wahl ist uicht möglich ohne das Kriterium der denkenden
und erkennenden Seele. Die Freiheit kann von einem doppelten
Gesichtspunkte betrachtet werden als die dem menschlichen Sub-
jecte eigene Möglichkeit des Handelns (mera potenzialitä) und als
Mittel zur Erreichung des vernünftigen Zweckes. Als Zweck wird
das sittliche Gut bezeichnet. Wenn die wahre Freiheit in der
Freiheit, Böses zu thun, bestände, dann müssten wir auch ein
Recht haben, Böses zu thun. Aber ein solches Recht besteht nicht.
Denn man darf in die Recbtssphäre des Andern nicht eingreifen
ohne die Strafe der Staatsgewalt, und, wenn man ohne Verletzung
des Andern Böses thut, kann dieses nicht geschehen ohne Strafe
des Gewissens, wie der Herr Verf, treffend sagt, »jenes Buches
mit sieben Siegeln (dei sette suggelli), wo ein Paradies oder eine
Hölle als Anfang eines jenseitigen Lebens eingescblossen ist. In
euch ist das Reich Gottes, sagt Christus.« Die menschliche Frei-
heit ist darum relativ (S. 15). Das Denken und seine Folge, die
Freiheit des sittlichen Handelns, setzt, da sie eine bedingte ist, die
absolute, ein absolutes Denken, Urtheilen und Erkennen voraus.
Mit dem Aufhören der Persönlichkeit aber hört das Denken und
Erkennen und darum auch die Freiheit auf. Mit den Fortschritten
des Denkens wachsen die Fortschritte in der Wirksamkeit der
Völker. »Wenn sich unser Herz mit Freude erfüllt, zu sehen, dass
gegenwärtig in Europa kein Volk ist, das nicht in etwas die Wohl-
thaten einer freien und vernünftigen Regierung kostet (ehe non
lambisca i beneficii), so müssen wir dieses den Fortschritten der
Intelligenz verdanken.« Mit dem Missbrauch der Vernunft hört
der freie Zustand der Völker auf und es folgt das despotische Re-
giment, das nur so lange Bestand hat, bis die erwachende Ver-
nunft abermals zur Freiheit führt. Treffend wird in der Geschichte
der Völker das Wort Jesu angewendet (S. 18): »Die Wahrheit
wird euch frei machen.«
 
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