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Les Grecs ä toutes les Epoques.

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Es kommt dem »alten Diplomaten«, der mit der Quellenkritik über-
haupt gründlich zerfallen ist, gar nicht in den Sinn, den Zusammen-
hang der von ihm citirten Stellen und die Parteirichtung der Schrift-
steller, auf die er sich beruft, zu erörtern. Ob Xenophon, ob Ari-
stophanes aristokratische Velleitäten hegten, ob sie fremde Insti-
tutionen priesen um die heimischen herabsetzen zu können, das
kümmert unseren Diplomaten sehr wenig. Dass die Justiz in Athen
erbärmlich war, folgt für ihn aus einer Aeusserung des Herrn
Troplong, und mit Wohlgefallen tischt er uns den unverbürgten
Klatsch des Plutarch für baare Münze (p. 24) auf. Nach den Unter-
suchungen der Engländer und Deutschen über athenische Verfas-
sungsgeschichte darf man es als unerhört bezeichnen, dass der
»alte Diplomat« sich noch immer in den überwundenen und ver-
rotteten Vorstellungen von dem Wesen des Ostrakismus bewegt,
dass er ihn als einen Ausdruck der neidischen Laune des attischen
Volkes betrachtet, ohne seinen Zusammenhang mit den Institutionen
anderer Völker z. B. mit dem Petalismus in Sicilien und ohne sein
tiefes politisches Motiv zu erkennen. Das Wort selbst leitet er
mit echt französischer »Akribie« von »Austern«, statt von »Scher-
ben«, von οβτρεον statt von όβτρακου her. Der »Kanaille« der
Agora stellt er »die Galeerenbande von Lakedämon« (p. 32) gegen-
über. Wenn die Spartiaten überhaupt tapfer waren, was er be-
zweifelt, so findet er, dass »sie es so waren wie Menschen, denen
man das Leben zu sauer gemacht hat.« Deshalb habe Perikies
geäussert: »die Tugend der Spartiaten macht Furcht, wenn nicht
Schlimmeres.« Als Quelle dieses Ausspruchs wird Thucydide, Ha-
rangues de la Guerre de Peloponnese angeführt, ein Citat, dessen
unbestimmte Fassung so verdächtig ist, dass man es getrost der
blühenden französischen Phantasie zuschieben darf. Troplong und
Plutarch werden abwechselnd geplündert, um ein schauderhaftes
Gemälde spartanischer Dummheit, Faulheit und Bestialität zu ent-
werfen und zu dem Resultat zu gelangen, dass Griechenland im
Jahr 432 zwischen »zwei Lagern, welche als Auswurf der mensch-
lichen Gesellschaft gelten konnten«, nämlich zwischen Athen und
Sparta getheilt war. »Man brauchte zwanzig Jahre um sich for-
mell den Krieg zu erklären und als man soweit war, manövrirton
die beiden Armeen so, dass sie sich niemals begegneten. Die Ge-
schichte bietet wenig Beispiele einer solchen Feigheit, die mit
solcher Unverschämtheit gepaart ist, und wenn es einen noch ausser-
ordentlichen Zug gibt, so liegt er in dem gläubigen Enthusiasmus
der Philhellenen aller Zeiten für diese erbärmliche Mystification. . .
Perikies gab so viel Geld aus um Monumente zu errichten und
Verräther zu besolden, dass er Athen in einen unbarmherzigen
Kampf stürzen musste, um nicht zur Rechenschaft gezogen werden
zu können. Es war ein Banditen- und Plünderungskrieg, schauder-
haft, wahnwitzig, unbarmherzig, der alle griechischen Städte dem
Feuer und der Verwüstung überlieferte.« Das Verfahren der Athener
 
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