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Zur Erinnerung an Prof. Karl Ludwig Kayser.

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erkennen, welch frischen Lebensquell ihm diese seine lieben Alten
boten, wie er keiner Seite des Alterthums fern stand.
Er gehörte nicht zu den Naturen, die ganz neue Bahnen in
der Wissenschaft wandeln oder die in erster Linie auf die zusammen-
fassende Darstellung, auf die Darlegung der Grundgedanken sich
hingewiesen fühlen, oder die endlich in eleganter Darstellung die
Resultate der Wissenschaft dem grossem Publikum vorlegen; ihn
interessirte vor allem das Individuelle und speciell die Form dieses
individuellen Geistes in der Sprache, besonders in der Syntax, im
Rhythmus wie im rhetorischen Gefüge. In seltener Sicherheit, in
überraschender Schnelligkeit, mit einem feinen logischen Verstände
wusste er Schäden zu entdecken und zu heilen; seine Leistungen
sind darin längst allgemein anerkannt. Es gibt fast keinen grossem
Schriftsteller des Alterthums, dem seine Studien darin nicht zu Gute
gekommen wären; ich möchte ihn darin einem Jacobs, Boissonade,
Bake verwandt nennen.
Aber der Gelehrte war in ihm eng verbunden mit dem Lehrer;
in der That hat er als Lehrer auf eine lange Reihe dankbarer
Schüler blicken können, die ihm nicht blos Anregung, sondern
auch üebung, Schulung verdankten. Es war seine besondere Freude
mit den besten seiner Zuhörer in rascher Folge grössere Stücke
zu lesen. Nichts weniger als besonders nachsichtig hat er im
Gegentheil die volle Wahrheit mit Freundlichkeit seinen Schülern
immer zu sagen gewusst. Kayser’s Wirken am hiesigen philologi-
schen Seminar wird schwer zu ersetzen sein; dieses rein mensch-
liche Wohlwollen, welches der Verewigte dem lernenden Geschlechte
entgegenbrachte, ging überhaupt aus einem tiefem Bedürfniss für
Freundschaft und für dauernde engere Lebensverbindungen hervor.
In der That wird einem Jeden, der in engerer Beziehung zu ihm
gestanden hat, die gleichbleibende Herzlichkeit, die Feinfühligkeit
seines Wesens, die Gabe leichter, in kurzen schriftlichen Begrüs-
sungen sich anmuthig aussprechender Mittheilungen unvergesslich
bleiben.
Welch schönes Verhältniss bestand zwischen den Geschwistern,
von denen sein Bruder, diejenige Schwester, die ihm Jahre lang
das Hauswesen geführt, ihm im Tode vorangegangen sind!
Welch schöne Häuslichkeit ist ihm an der Seite einer Frau
noch bereitet worden, die jetzt als WittWe um ihn trauert, wie
hat er inmitten von schweren Anfällen einer seit Jahren langsam
sich verbreitenden Krankheit immer noch einen Kreis jüngerer
Freunde und Freundinnen um sich zu sammeln gewusst!
In diesem häuslichen Leben, diesem Freundeskreise, trat vor allem
eine zweite, bedeutende Begabung seines Wesens nämlich die musika-
lische und zugleich, wir können wohl sagen, der tiefste Ausdruck
seines Innern in der gemeinsamen musikalischen Thätigkeit hervor.
Die Musik war ihm nicht blos Erholung, nicht blos Erheite-
’ung, war ihm Studium, tiefes Lebensbedürfniss, vor allem auch
 
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