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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 2.1887

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Duhn, Friedrich von: Charonlekythen: (hierzu Antike Denkmäler I, Taf. 23)
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https://doi.org/10.11588/diglit.36645#0256

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Hier steht die Handlung stille. Ruhig zuwartend steht Charon in der Barke,
mit beiden Händen auf die Ruderstange gestützt; sein Haar und Bart sind rotbraun,
gelb-braun die Mütze, rötlich die Exomis; nur die leichte Krümmung der Nase ver-
weist seinen sonst edlen Typus in eine untergeordnete Sphäre. Er drängt den auf
der oberen der drei Stufen seines Grabmals sitzenden Jüngling nicht, sich zu er-
heben und zu ihm zu steigen; er läfst demselben Zeit, seine Gedanken zu Ende zu
denken. Die Wendung des Hauptes und der Obolos in der Hand^ lassen den Be-
schauer über die Richtung dieser Gedanken nicht im Zweifel. Der linke Unterarm
ist zum gröfseren Teil zerstört; der TotenAuß und der Charonnachen werden wohl
das Motiv zu seiner Bewegung gegeben haben:
vaxoow OS TTOp&pSUs
symv yap' eH xovitn Xdprnv T .-Sv, xoWt „in psHetc;"
Nur Beine und Schoofs werden durch den dunkelfarbigen Mantel bedeckt, kein Ge-
wand verhüllt die jugendliche Schönheit des Oberkörpers, das reich niederwallende
Haar ist mit bekanntem den Alten so gut wie Lionardo und Rembrandt geläufigen
malerischen Kunstgriff geschickt verwertet, um das Antlitz zu heben. Die Zeit-
spanne ist nicht so grofs, welche die erste Entstehung plastischer Schöpfungen wie
des Eros von Centocelle und seiner Verwanten von unserer Epoche trennt. Den
künstlerisch notwendigen Abschluß des Bildes stellt das von links herankommende
Mädchen dar, in gelbem Chiton ohne Mantel, das rotbraune Haar zum Zeichen der
Trauer in langen losen Locken vor den Schultern und auf den Rücken nieder-
fallend, mit beiden Händen vor sich einen grofsen Aachen Korb mit nicht mehr
erkennbaren gelblichen Gegenständen (wohl Früchten: s. Arch. Zeit. 188$ Taf. ß)
tragend, von dem Tänien herabhängen: TH pf in upvc? üpxvjsex, aW
Ayspoxrt mögen wol Worte sein, die auch für die trüben Abschiedsgedanken
unseres Jünglings den Grundton abgeben.
Taf. 2ß,ß giebt das Bild einer Lekythos im Polytechneion No. ß$o8, aus
Eretriah Die Umrisse sind hell-braunrot, die Farbtöne alle etwas kräftig, wie es
den in Eretria neuerdings gefundenen Lekythen sämmtlich eigen ist. Die Ausfüh-
rung ist Aott, nicht grade sorgfältig, aber auch nicht lüderlich. H. 0,ß/.
Die Situation ist hier eine außergewöhnliche: durch Fehlen der Stele wird
der Arch. Zeit. i88ß,6 festgestellte zweite Typus ausgeschieden; die für den ersten
Typus, die Ankunft der Todten am Acheron bezeichnenden Zuthaten fehlen hier
auch: dennoch kann es nicht zweifelhaft sein, dafs dieser Augenblick gemeint ist.
Auf das hohe Ufer, oberhalb des Flusses, hat das Mädchen ihren kleinen Schutz-
befohlenen hingesetzt, um die Ankunft des Todtenschiffes abzuwarten; sorgsam hat
sie ihm seinen lilafarbenen Mantel untergebreitet. Er safs ihr zugewendet: wie er
den Nachen kommen sieht, dreht er sich um, blickt Charon mit den grofsen Kinder-
augen erstaunt an und hebt dabei ein wenig die rechte Hand. Charon erfaßt die
6) Über die principielle Wichtigkeit dieser monu- f) 'Eccvjp. apx- IV (1886), 31—33.
mentalen Thatsache genügt es, auf Arch. Zeit.

I

21 zu verweisen.
 
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