Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0043
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DRE1EICHENH A IN

25

des gegenwärtigen Jahrhunderts über die Burg Hain hereingebrochen ist. Leider
war die Zerstörungswut!) früherer Jahrhunderte ebenfalls nicht spurlos an dem
Bauwerk vorübergegangen. Aber um's Jahr 181 1 befand sich der Palas noch in
bewohnbarem Zustande, während er jetzt zur völligen Ruine geworden ist. Rechts
von der spitzbogigen Hauptpforte zeigt die Abbildung eine Holztreppe, die zu
einem allem Anschein nach jüngeren Eingang führte. Unter der Thüre steht eine
Frauengestalt, als habe der Künstler durch das Erscheinen der Hausfrau andeuten
wollen, dass die Burg bei seinen Lebzeiten weder verlassen noch verödet war.
Ausser dem schon erwähnten noch vorhandenen Entlastungsbogen bemerken wir eine
andere Struktur dieser Art auf gleicher Höhe in dem nun verschwundenen Theile
der südlichen Kemenatenseite und darüber Spuren eines abgetreppten Giebels mit
einem spitzbogigen Fensterpaar. Dahinter dehnt sich die Bedachung des Bau-
körpers aus, überragt von einem zweiten Schornstein unweit des schlanken Kamin-
schlotes. Der runde Bergfried steht auf der Abbildung in drei Geschossen auf-
recht und sein Werksteinmantel umgibt in guter Erhaltung den Mauerkern. Wie
ist das Alles anders geworden! Ueber dem Palas wölbt jetzt der Himmel sein
Dach und die treffliche Steinverkleidung des Rundthurmes weist so bedeutende
Lücken auf, dass die Behauptung von der zum Schutz der Vorübergehenden
gebotenen Entfernung des lockeren Materials nicht hinreicht zur Abwehr des immer
von neuem sich aufdrängenden Gedankens, die alte Burg Hain habe einer pietät-
losen Ausbeutung als wohlfeiler Steinbruch gedient. Angesichts der beklagens-
werthen Erscheinung ist die neuerdings dem altehrwürdigen Baudenkmal gewidmete
Sorgfalt um so freudiger zu begrüssen.

Wie der Thatbestand zeigt, war Schloss Hain auch nach der Stadtseite hin Stadtbefestigung
befestigt. Seine äussere Ringmauer jedoch hängt unmittelbar mit der städtischen
Befestigiuig zusammen, die ebenfalls ziemlich wohlerhalten auf die Gegenwart ge-
kommen ist und in einer starken, mit Thorthürmen und kleineren Wehrthürmen
versehenen Umfassungsmauer besteht. Ein davor liegender breiter Wallgraben
erhielt seine Speisung aus dem Schlossteich wie aus eigenen Quellen. Anfänglich,
vor dem 14. Jahrhundert, war die städtische Beringung von bescheidener Aus-
dehnung. Sie erstreckte sich nur über den der Burg zunächst befindlichen Haupt-
theil des Ortes. Mit dem Anwachsen der Stadt gegen Westen nahm auch die
Befestigung nach dieser Seite hin zu. Noch heute sieht man Ueberreste der früheren
Wehrmauer in mehreren Hofraithen und ihren Anschluss an die neuere Ringmauer.
Sie durchschnitt die Längenaxe der erweiterten Stadt in der Gegend des jetzigen
Rathhauses und schied den älteren »Unterhain« vom jüngeren »Oberhain.« Da
wo der Mauerzug auf die Linie der Hauptstrasse traf, stand ein im Jahre 1783
niedergelegter Thorthurm , die Mittelpforte genannt, zum Unterschied von der
dicht bei der Burg gelegenen Unterpforte und der den Oberhain gegen Langen
hin sichernden Oberpforte. Unterpforte und Mittelpforte blieben allzeit die Haupt-
thorthürme auch nach der Ausdehnung des Befestigungsringes auf den jüngeren
Stadttheil. Dafür spricht die tektonische wie monumentale Gediegenheit der Unter-
pforte, womit die künstlerische Beschaffenheit der verschwundenen Mittelpforte ohne
Zweifel übereinstimmte, während die Oberpforte ursprünglich nach Art der grösseren
 
Annotationen