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Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0150
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KREIS OFFENBACH

XXIV. NEU-ISENBURG

FARRDORF, südwestlich von Offenbach, früher Isenburg, jetzt Neu-
Isenburg genannt, zur Unterscheidung von anderen Orten gleichen
Namens, insbesondere von dem Marktflecken und der Schlossruine
Isenburg am Saynbach in der preussischen Rheinprovinz, Stammort des
fürstlichen Hauses Isenburg. Auf einer Karte des Grossherzogthums Hessen vom
Jahre 1819 findet sich der Name Welschdorf eingetragen.
Allgemeines Neu-Isenburg kann sich keines hohen Alters rühmen und ist im Vergleich

zu anderen Gemeinden des Kreises eine junge Gründung. Der Ort entstand als eine
Ansiedelung grossentheils aus der Dauphine, Lothringen und der Umgegend von Sedan
eingewanderter, reformirter Franzosen, die nach Aufhebung des Ediktes von Nantes
zuerst in Savoyen und in der Schweiz sich niedergelassen hatten und dann nach
Deutschland zogen, wo ihnen Graf Johann Philipp von Isenburg und Büdingen auf
seinem Territorium Aufenthalt und Schutz gewährte. Den Kolonisten wurde erlaubt,
einen Theil des Waldes auszurotten, worauf sie gegen eine bestimmte Grundrente
Bauplätze, Felder, Wiesen und, nebst anderen Privilegien, Abgabenfreiheit auf die
Dauer von zehn Jahren erhielten. Die Verleihungsurkunde ist datirt Offenbach
20. September 169g und wird im Archiv der Bürgermeisterei von Neu-Isenburg
aufbewahrt. Ebendaselbst befindet sich die vom 21. Mai [818 datirte Urkunde
der Bestätigung der Privilegien durch die Grossherzoglich Hessische Regierung.
An die Gründung der reformirten Kirchengemeinde erinnert der eiserne Siegel-
stempel des Pfarramtes mit Lamm und Taube (?) unter einer Glorie und der
Inschrift: Les convies en Dieu ä l'eglise d'Ysembourg, 1700. Die Kolonie war
anfänglich rein französisch und bestand aus siebenzig Familien, zu denen später
noch dreissig Familien hinzukamen. In der Folge kehrten viele Ansiedler nach
Frankreich zurück, andere wurden von einer Epidemie hingerafft. Schon von 1720
an liessen sich zahlreiche Deutsche in Isenburg nieder, wodurch die bis dahin aus-
schliessliche nationale und confessionelle Eigenart nach und nach verschwand. Als
öffentliche Sprache wurde das Französische erst 1829 abgeschafft.
 
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