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Schaefer, Johann Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Offenbach — Darmstadt: Bergstraesser, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.18296#0121
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KLEIN-AUHEIM

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zehen des göttlichen Kindes berühren. Das Haupt der Madonna schmückt eine
Krone; die Mutter des Herrn ist sonach als Himmelskönigin dargestellt. Die
Hände sind schlank und von trefflicher Modellirung. Das Haar ist aufgelöst
und fliesst theils über Schultern und Rücken herab, theils bedeckt es in ge-
schwungener Flechte den rechten Arm. Der Ausdruck im Antlitz von Mutter und
Kind ist seelische Lieblichkeit und Reinheit der Empfindung. Das Gewand der
Madonna fällt in edlem Wurf herab und hüllt die Füsse sowie den mittleren Theil
des Halbmondes ein, dessen beide Spitzen nach den Seiten hervortreten. Ob-
gleich die Gewandung an dieser Stelle von der für die Entstehungszeit charakte-
ristischen, geknitterten Faltenbrechung nicht frei ist, wirkt die Entwicklung der
Draperie keineswegs störend und die Gewandmotive behalten die nöthige Ruhe.
Ein gleiches gilt von dem Mantel, welcher von den Schultern bis zu den Füssen
frei herniederwallt und auf der einen Seite von der Hand der Madonna so auf-
genommen wird, dass auch hier die Falten in vollem AYurf herabfliessen. Das
Werk ist erfüllt von Schönheitssinn. Die stylistische Auffassung hält sich in klaren
einfachen Formen und bleibt frei von den Uebertreibungen, welche sonst, beson-
ders was den Faltenwurf betrifft, in der Holzplastik der Epoche nicht selten sind.
Schade, dass die an der Statue vorgenommene moderne Polychromirung des
Guten zu viel gethan hat. Ohne die gehäuften goldenen Blumen auf dem Ge-
wände und ohne die unruhigen Linearmuster mit kreuzförmigen Füllungen auf
dem Mantel, was Alles einen verwirrenden Eindruck macht, würde die künstlerische
Wirkung; des edelschönen Werkes ungleich bedeutender sein und einen ungetrübten

o o o

Genuss gewähren.

Die Sakristei bewahrt ein Vortrag kr etiz mit dem Bilde des Erlösers, ein Geräthe unt

Paramente

Werk der Holzplastik des 18. Jahrhunderts ohne besondere künstlerische Vorzüge.
— Der gleichen Zeit gehört eine silbervergoldete Monstranz an, in der die ganze
Renaissancezeit hindurch beliebten Gestalt einer strahlenden Sonne. Ueber der
Lunula thront unter einem Baldachin die in Silber getriebene Gruppe der heiligen
Dreifaltigkeit mit verehrenden Engeln an den Seiten; darunter erscheint Maria mit ge-
faltenen Händen. Die Vertheilung von Silber und Gold ist wohlabgewogen und
tadellos im Fiq-ürlichen wie im Ornamentalen. — Als Erzeugnisse der Paramentik
und zwar der Textilkunst des 18. Jahrhunderts mögen drei Kasein erwähnt sein,
von denen die eine buntfarbige Blumenornamente mit Silberbrokat auf weissem
Seidengrund, die zweite Vegetativ-Motive in Goldbrokat auf rothem Grund, und
die dritte Rankenwerk auf grünem Grund in Plattstichmanier ausgeführt zeigt.

Zwei in den Strassen des Ortes aufgerichtete Bildstöcke aus dem vorigen Bildstöcke.

Strassen

Jahrhundert haben weder Anspruch auf archäologische Beachtung noch auf Kunst-
werth. — Im Volksmund lebt die Ueberlieferung von einem ehemaligen Schlossbau
in Klein-Auheim. Eine Strasse des Dorfes heisst allerdings Schlossstrasse. Allein
es fehlt jener Ueberlieferung sowohl in urkundlichem wie baulichem Betracht an jeder
Begründung. — Von der Römerstrasse, die längs des linken Mainufers in der
Richtung von Miltenberg bis Klein-Steinheim angenommen wird, sind zu Klein-
 
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