Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayern / Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten [Hrsg.]; Hager, Georg [Bearb.]
Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern (2,1): Bezirksamt Roding — München, 1905

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26556#0196
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. B.-A. Roding.

Wallfahrts-

kapelle.

170

TANNERL.

WALLFAHRTSKAPELLE. Auf einer Wiese mitten im Walde, neben
einem Fürstlich Thurn und Taxisschen ökonomiehofe, V2 Stunde stidöstlich von
Falkenstein, zur Pfarrei Arrach gehörig. Matrikel R., S. 307. — Spezialführer durch
Falkenstein im Bayer. Wald, Miinchen 1892, S. 33.

Die Kapelle bietet ein charakteristisches Beispiel jener bescheidenen, volks-
ttimlichen, nur in engerem Umkreise bekannten katholischen Wallfahrtsorte, die im
17. und 18. Jahrhundert an landschaftlich schönen Stellen so vielfach aufkommen.
Aus solchen Wallfahrtskapellen spricht die Freude des Menschen an der herrlichen
Gottesschöpfung der Natur. Wir teilen die Geschichte der Entstehung des einfachen,
waldumrauschten Gnadenortes etwas ausführlicher mit, weil sie typisch ftir zahllose
ähnliche Erscheinungen ist.

Eine aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Aufzeichnung
im Ftirstlich Thurn und Taxisschen Zentralarchiv in Regensburg (Akten XI, 68, 9:
Die Klause und Kapelle auf dem Wallfahrtsort Tannerl und die dortigen Eremiten,
anno 1766—1797) erzählt: Um 1685 hat eine Frau aus Falkenstein bei ihrem Eidam,
dem Maurer Bernhard Fleischmann in Wörth, »ein altes Ecce homo Brust-
bild in des Fleischmann sog. Höll oder hinter dem Ofen (vgl. Schmeller-Frommann,
Bayer. Wörterbuch I, 1080: Hell, Höll=enger Raum zwischen Ofen und Wand) stehend
gesehen. Weil sie nun einen besonderen Andachtseifer zu dieser Bildnis empfunden,
ermahnte sie den Fleischmann, daß er dieses zur Verehrung an einem offenen Weg
oder Straße aufhangen solle. Der Fleischmann, durch diese Erinnerung beunruhigt,
ging mit dem Brustbild 2V2 Stund gegen Falkenstein und hing dasselbe in einem
Gehölz unweit dem herrschaftlichen Pönnhof an einen Größling (= junges Wald-
bäumchen, junge Tanne, Schmeller-Frommann I, 1013), wodurch die Andacht und
Verehrung Gottes bey dieser Ecce homo Bildnuß den Anfang genommen.« Schon
1694 waren 719 Gulden Opfer angefallen. Man hat nun, »damit die mirakelvolle
Bildniß besser verwahrt werde, eine sogenannte Figur und hierin ein kleines Altärl
aus dem angefallenen Opfer erbaut« und beschlossen, eine Klause dabei zu er-
richten. (»Figur« nennt man in der Oberpfalz gemauerte Nischen oder kleine
Kapellen auf dem Felde und im Walde, in welchen ein Bikl aufgestellt ist.)
(Schmeller-Frommann I, 697. — In der Nähe vom Tannerl wird 1775 —1776
die »Figur« auf der Arracher Höhe von drei Maurern ausgebessert. Und der
Maler Thomas Geißenhofer von Roding erhielt damals für »Ausbesserung unseres
lieben Herrgotts von der Wiß [d. h. des gegeißelten Heilandes] in der Figur
auf der Arracher Höh« drei Gulden. Akten des Fürstl. Thurn und Taxisschen
Zentralarchivs in Regensburg, die Marktkirche St. Sebastian in Falkenstein betr.,
XI, 66, 3.) 1705 wurde die Klause fiir einen Eremiten aus Holz erbaut, 1729 aber
aus Stein.

Die Kapelle steht unter einer mehr als zweihundertjährigen Tanne. Sie ist
ein schlichter, flachgedeckter Bau. Der eingezogene Chor schließt dreiseitig. Er
stammt wohl aus der Zeit um 1700 und stellt die damals erbaute »Figur« dar. Das
Schiff mit abgerundeten Ecken ist ein späterer Anbau aus dem Laufe des 18. Jahr-
hunderts. Westlich ein Dachreiter.

Im Choraltar Halbfigur des schmerzhaften Heilandes, Holz, 17. Jahrhundert,
genannt »Unser Herrgott vom Tannerl«.
 
Annotationen