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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Braungart, Richard: Kriegsbilder von Fritz Erler und Ferdinand Spiegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0041

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KRIEGSBILDER VON FRITZ ERLER UND FERDINAND SPIEGEL

Man wird die zahlreichen Kriegsbilder, die
jetzt, in quantitativ und auch qualitativ
sich steigerndem Maße, allenthalben zu sehen
sind, zwanglos in zwei große Gruppen einreihen
können. In die eine gehören die reinen Wirk-
lichkeitsschilderungen, möglichst genaue Dar-
stellungen dessen, was an und hinter der
Kampffront zu sehen ist, und die Impressionen,
bei denen die persönliche Anschauung und
die Treue gegen das Objekt sich gegenseitig
auszugleichen suchen. Man könnte diese ganze,
umfangreiche Gruppe auch die der künstleri-
schen Berichterstattung (mit mehr oder weniger
starker Betonung des Künstlerischen) nennen.
Die zweite Gruppe aber umfaßt alle jene
Kriegsdarstellungen, die über die nüchterne
Tatsachenwelt hinaus nach einer symbolisieren-
den, beziehungsweise monumentalisierenden
Zusammenfassung streben, die also, mit an-
deren Worten, das dauernd Gültige aus der
Fülle der flüchtigen Erscheinungen herauszu-
finden und ihm auch eine den Tag überlebende
Form zu geben suchen.

In diese letztere Gruppe gehören die 30 Kriegs-
bilder (Aquarelle), meist mit Motiven aus
Ypern, Lille, Arras usw., von Fritz Erler
und Ferdinand Spiegel, die in einem großen,
„1914/1915" betitelten und im Verlag der
Vereinigten Kunstinstitute(vorm. OttoTroitzsch)
in Berlin - Schöneberg erschienenen Mappen-
werk vereinigt sind. Die Ausstellung der
Originale zu diesem Werke, die im Juni und
Juli in der „Galerie Caspari" in München
stattfand, hatte einen ganz außerordentlichen
künstlerischen Erfolg, der in dem Ankauf von
zwölf Arbeiten für die Kgl. Pinakothek seinen
wirksamsten äußeren Ausdruck fand. Man
kennt die trotzig-eigenwillige, nordisch-herbe
Art Fritz Erlers, der einer der wenigen Künstler
ist, die den von Tausenden gesuchten modernen,
monumentalen Stil auf ihre Weise gefunden
haben. Und man weiß auch, daß alles, was
Erler anfaßt, dadurch allein schon von selbst
der gemeinen Wirklichkeit entrückt und zu
einer Art von gesteigerter Daseinserscheinung
erhöht wird. Bewundernswert ist es aber doch,
wie Erler, der monatelang an der Front war,
es verstanden hat, auch die an sich vollkommen
kunstwidrig scheinenden Eindrücke moderner
Kampfgebiete durch die Kraft seines, jeder
Aufgabe gewachsenen Stils zu künstlerischen
Gebilden auszuformen, die den Eindruck
machen, als seien sie von jeher gewesen.
Schützengrabenmotive, Straßenbilder aus Lille
und zerschossenen kleineren Orten, Verwun-
detentransporte, Kampfszenen aller Art usw.

sind bei Erler zu Symbolen geworden, in denen
das Wesentliche dieses Krieges, seine Kampf-
methoden und Wirkungen, seine Schrecken
und sein Heldentum eine künstlerische Form
gewonnen haben, die man eben nur mit dem
vielmißbrauchten Wort „monumental" richtig
charakterisieren kann. Und ganz besonders
dem stillen Heroentum unserer Soldaten, das
sich im geduldigen Ausharren wie im Kampf
in gleich verehrungswürdigem Grade bewährt,
hat Erler in diesen Aquarellen (oder farbigen
Zeichnungen, bei denen die sparsam verwen-
dete Farbe als starker Stimmungsfaktor mit-
wirkt) ein Denkmal gesetzt, das an Eindring-
lichkeit durch kein Werk aus Stein oder Erz
übertroffen werden kann.

An Ferdinand Spiegel hat er überdies
einen Mitarbeiter gefunden, der, obwohl etwa
zehn Jahre jünger wie Erler, seiner vollkommen
würdig ist, sich seiner Art in einigem ver-
wandt zeigt, sonst aber im einzelnen wie im
ganzen der eigenen Spur folgt. Spiegel, von
dessen Hand zwölf Blätter (also zwei Fünftel
des Werkes) stammen, hat mit Erler zusammen
die Städte und Schlachtfelder Nordfrankreichs
und Flanderns besucht, und es ist natürlich,
daß er infolgedessen ganz ähnliche Motive
gestaltet. Aber es geschieht in einem Stil,
der sich dem Realismus mehr wie der Erlers
nähert und dabei doch mehr phantastische,
selbst groteske Elemente wie der seines Mit-
arbeiters enthält. Spiegel bereichert somit
das Werk tatsächlich in dem Sinne einer Er-
weiterung seines künstlerischen Anschauungs-
und Darstellungskreises, bleibt aber dabei, was
vielleicht ohne Beispiel ist, im allgemeinen
durchaus auf der geistigen Linie Erlers, so
daß er die Aufgaben, die er sich gestellt hat,
in einer Form lösen kann, die den Absichten
seines Freundes und Kollegen entspricht und den
einheitlichen Charakter des Werkes verbürgt.

Die Wiedergabe der Originale in dem oben
genannten Mappenwerk, dem die hier beige-
gebenen Illustrationen entnommen sind, gehört
wohl zu dem vollendetsten, was der Farben-
lichtdruck heute zu leisten vermag. Man kann
sagen, daß die Originale durch diese nur wenig
verkleinerten Reproduktionen so vollkommen
ersetzt sind, wie dies der mechanischen Ver-
vielfältigung eben möglich ist. Da im übrigen
Ausstattung, technische Ausführung und künst-
lerischer Wert sich so ziemlich die Wage
halten, so liegt hier ein Werk der Gedächtnis-
kunst vor, das vermutlich nur ganz wenige
seinesgleichen haben wird.

Richard Braungart

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