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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Voll, Karl: Ein neues volkstümliches Menzel-Werk
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Zur Eröffnung der neuen städtischen Gemäldegalerie zu Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0126

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Malerei selbst hat. Dadurch entsteht nach seinem
Tode für unseinganz neuer Menzel, ein größerer als
der war, den seine Zeitgenossen in ihm erblickten.
So hat ihn Wolf zu schildern versucht und auch
von dieser Seite her mag der Band wohl sein Teil
dazu beitragen, Menzel bei uns volkstümlich im
guten Sinne des Wortes zu machen. k. Voll

ZUR ERÖFFNUNG DER NEUEN STÄDTI-
SCHEN GEMÄLDEGALERIE ZU WIESBADEN

Der zweite Oktober des Kriegsjahres 1915 wird
im Kunstleben der Stadt Wiesbaden ein Merk-
tag sein, da an ihm die Städtische Gemäldegalerie
eröffnet ward, die in dem nach den Plänen Professor
theodor fischers ausgeführten dreiflügeligen Mu-
seumsneubau den rückwärts gelegenen Mittelteil
einnimmt. Bei der Raumeinteilung, Belichtung und
inneren Ausstattung wurden in umfassender Weise
die Erfahrungen neuerer Museumsbauten nutzbar
gemacht. Modernem künstlerischen Empfinden ent-
sprechend glaubte man, von der Herstellung von
Riesensälen absehen und die Belichtung der je-
weiligen Bestimmung der einzelnen Räume an-
passen zu sollen. Besondere Sorgfalt wurde auf
die innere Ausstattung verwandt, die durch den
fortwährenden Wechsel von Farbe und Stoffart das
Auge erfreuen und vor Ermüdung bewahren soll.
So dürfte der Wiesbadener Maler hans Völker,
der mit der künstlerischen Ausgestaltung beauftragt
war und der zugleich auch die Ueberführung der
Bestände in den Neubau geleitet und das Aufhängen
nach sachlichen und künstlerischen Gesichtspunkten
mit feinem Verständnis besorgt hat, sein Ziel er-
reicht haben: Raumeinteilung, Belichtung und Aus-
stattung zur vollen Harmonie zu verbinden. Der
mehrfachen Bestimmung der Galerie gemäß zerfällt
diese der Länge nach in zwei deutlich geschiedene
Hälften. Von ihnen hat die eine die Gemälde-
sammlung aufgenommen, während die zweite ein-
mal größeren Ausstellungen, die ein- oder zwei-
mal jährlich geplant sind, dienen wird, außerdem
aber auch die kleineren ständigen Ausstellungen
des Nassauischen Kunstvereins zu beherbergen
hat, dessen Vorstand seitens der Stadt mit der
Verwaltung der Galerie betraut ist.

Wie jedermann weiß, gehört die Gemäldegalerie
der Residenzstadt Wiesbadens nicht zu den älteren
berühmten Sammlungen, aber ihre Bestände sind
ergänzt durch wertvolle Leihgaben aus den Königl.
Preußischen Sammlungen und außerdem ist vor
einigen Jahren als Vermächtnis die Kollektion
Heintzmann hinzugekommen, die eine gute Aus-
wahl der Düsseldorfer Schule etwa aus dem zweiten
Drittel des vorigen Jahrhunderts umfaßt und na-
mentlich die Kunst des älteren Achenbach in einer
Reihe seiner reifsten Werke würdig vertritt. Die
neueren Erwerbungen, die vornehmlich dem weiten
Bereich westdeutscher Kunst angehören, bedürfen,
was bei der Beschränktheit der verfügbaren Mittel
nicht zu verwundern ist, noch in mancher Hin-
sicht der Vervollständigung. Als um so dankens-
werter muß es anerkannt werden, daß für die
nächste Zeit zwei zielbewußte heimische Sammler
in zwei besonderen Räumen eine erlesene An-
zahl ihrer Schätze dem Publikum zugänglich ge-
macht haben. Der provisorische kleine Kata-

log, der später durch einen größeren ersetzt
werden soll, zu dem die wissenschaftlichen Vor-
arbeiten bereits abgeschlossen waren, als der
Weltkrieg begann, verzeichnet auf zwei einge-
legten Blättern die Sammlung Hermann Pagenstecher
und die eines ungenannten Herrn. Die letztere
erweitert den Rahmen der Wiesbadener Galerie
insofern, als sie neben zwei liebermanns, einem
köstlichen schönleber aus dessen ältesterZeit und
einigen modernen deutschen Werken je ein Bild von
Jakob Main, Israels und Johann Boosboo.m auf-
weist und also die Entwicklung der holländischen
Kunst des vergangenen Jahrhunderts in drei
ihrer Großmeister veranschaulicht. Die Sammlung
Pagenstecher ist viel umfassender und ihrer Zu-
sammensetzung nach einheitlicher, sieht man von
van Gogh, von Courbet und Hodler ab, die
mit je ein oder zwei Gemälden vertreten sind, so
hat sie ihren Schwerpunkt in den Leibischülern und
einigen anderen Künstlern, die zu Leibis engerem
oder weiterem Kreis gehören oder doch in späterer
Zeit seine Weise vor allem auf sich haben ein-
wirken lassen. Der Zahl der Werke voran steht
karl Schuch mit sieben Werken aus seiner besten
Zeit; das Hauptlicht aber fällt auf wilhelm trcbner
mit zwanzig Darstellungen von seinen ersten An-
fängen bis an die Schwelle der Gegenwart. Fein-
sinnig und mit freiem Blick hat Pagenstecher seine
Auswahl getroffen und im Lauf der Jahre immer
mehr vervollständigt, so daß wir hier ein ge-
schlossenes Bild der Entwicklung dieses Haupt-
meisters der ganzen Schule erhalten, der in seinem
rastlosen Streben zeigt, wie man altes Können
erweitern und zeitgemäß umzugestalten und weiter-
zuführen vermag, ohne jemals von der Bahn ab-
zuweichen, die der eigene Genius vorzeichnet.

Eine Fortsetzung gewissermaßen dieser Samm-
lungen nach der Jetztzeit hin soll nun die Elite-
Ausstellung sein, die gleichzeitig mit der neuen
Gemäldegalerie eröffnet wurde. Auch in ihr be-
gegnet man älteren oder jüngsten verstorbenen
Meistern, aber weitaus überwiegen doch die Dar-
bietungen der Lebenden auf dem Gebiet nicht nur
der Malerei, sondern auch der Plastik und der
Graphik. Es würde in diesem Zusammenhang zu
weit gehen, diese Darbietung zu würdigen, in-
dessen mag mit besonderem Dank darauf hinge-
wiesen werden, daß die städtischen Körperschaften
der Residenzstadt Wiesbaden trotz des Ernstes der
Zeit einen namhaften Betrag für Neuerwerbungen
bewilligt und so dem Nassauischen Kunstverein
den Entschluß erleichtert hat, trotz der leider noch
nicht beendeten Kriegsläufe die Künstler zu dieser
neuen Kunststätte einzuladen. Wie Herr Ober-
bürgermeister Geheimrat Glässing in seiner Er-
öffnungsrede hervorhob, soll gute deutsche Kunst
in dem Museumsbau, dessen naturhistorische und
Altertumssammlung noch der Neuaufstellung harren,
hier auf altem deutschen Kulturboden treue Pflege
finden; und wenn in Wiesbaden der Strom der
Tradition nicht allzu reich fließe, so erwachse
daraus der Vorteil, daß man auch der Vergangen-
heit nicht zu stark verpflichtet sei. Um so leichter
könne in der schönen Bäderstadt am Taunus eine
freischaffende Gemeinde guter deutscher Künstler
entstehen, die in kraftvollem Streben und mit
frischem Wagemut keine andere Bindung kennen,
als die mit dem frischen sprühenden Leben, das
sie veredeln wollen durch ihre Kunst. l.

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