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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Redslob, Edwin: Theodor Hagen
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Hugo Lederers Merkur-Brunnen in Frankfurt a. M.
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Liebermann und Kalckreuth verstand, hat den
Maler auch für die Hamburger Kunsthalle ge-
wollt und ihn mit seiner Staffelei vor den
vielleicht schönsten Hafen der Welt gestellt.
Hier hat Hagen den Hauptwert nicht auf die
Schiffe gelegt und auf die Staffage des Hafens.
Entsprechend seiner Vorliebe für die Dar-
stellung der Erdoberfläche in ihrer räumlichen
Wirkung und heimlichen Farbenfülle hat er
es verstanden, den Wasserspiegel selbst zum
wichtigsten Motiv zu machen. Er zeigt auch
dabei, wer neben den Anregungen, die er
von Gleichalterigen und Jüngeren gerne an-
nahm, sein eigentlicher Lehrmeister ist: die
Thüringer Hügellandschaft mit ihrem mannig-
fach bewegten Gelände.

So steht sein Bild abgerundet vor unseren
Augen: aus der Tradition Düsseldorfs, zu der
sich durch Weimar und die Beziehungen
der Familie seiner Gattin auch die Tradition
Goethes und Schillers gesellt, aus dieser Tra-
dition ringt er sich durch zu dem freien Schü-
ler der Natur, der in seiner bescheidenen,
zarten Art, ohne viel Aufhebens darum zu
machen, gleichen Schritt mit Meistern wie
Uhde, Liebermann und Kalckreuth zu halten
vermochte. Für 45 Jahre bedeutet er nun
schon den wichtigsten Vertreter der Weimarer
Kunstschule, an die ihn das Vertrauen ihres
Begründers im Jahre 1871 berief.

HUGO LEDERERS MERKUR-
BRUNNEN IN FRANKFURT A.M.

Es gibt Städte, die nicht nur Brunnen be-
sitzen, sondern eine eigene Brunnenkunst.
Bern etwa hat eine solche künstlerische Tra-
dition in seinen Brunnen, und die Physiogno-
mie der Stadt wird zu einem nicht geringen
Teile durch diese bestimmt. Auch Frankfurt
hat alte Brunnenkultur, und es würde sich loh-
nen, einmal die Frankfurter Brunnen im Zu-
sammenhang darzustellen. Die Kenntnis der
großen Kunst würde dadurch freilich nicht
bereichert, aber ein sehr anziehendes Stück
Volkskunst zutage kommen. Es sind maleri-
sche und halbversteckte Plätzchen, auf denen
diese Brunnen stehen, der Dreikönigsbrunnen,
der Adam-und-Eva-Brunnen, der Römische
Kaiserbrunnen und wie sie alle heißen, aus
dem Volksgeiste heraus von biederen Stein-
metzmeistern gebildet und vom Volkshumor
belebt. Der höheren Kunst gehört eigentlich
nur der Justitia-Brunnen auf dem Römerberg
an. Die neuere Zeit, die Zeit, in der die all-
gemeine Wasserleitung die Brunnen zu Deko-
rationsstücken gemacht hat, fügte noch einen

sehr populär gewordenen Brunnen hinzu, den
sogenannten Lachhannes (einen popularisierten
Bacchus) in den Anlagen. Nun hat im letzten
Monat Frankfurt einen neuen Brunnen erhalten,
Lederers Merkurbrunnen auf dem Theaterplatz.

Auch dieser Brunnen erfüllt alle Vorbedin-
gungen der Popularität. Er hat Leben und
Geist und eine Dosis schalkhaften Humors.
Merkur steht in Erz auf einem Piedestal von
Stein, das von einem Doppelfries von Widder-
köpfen umkränzt ist. Aus dem Mund der
Widderköpfe ergießen sich die Wasserstrahlen
in die Brunnenschale, die von Kugeln gestützt
ist. Ueber die granitene Schale spült das Wasser
die Stufen hinab in eine Rinne, in der es zu
versickern scheint. (Eine Umwälzungspumpe,
unterirdisch, leitet es in stetem Kreislauf wieder
den Widderköpfen zu.) Merkur ist keine blut-
leere Allegorie. Unkonventionell mit dem Attri-
but eines Beutels statt des Stabes ausgestattet,
scheint er mitten im Leben zu stehen, mit
schlauem Lächeln das Getriebe überschauend.

Sehr fein ist der Aufbau des Werkes in der
Form einer schmückenden, lebenerfüllten Pyra-
mide. Ueberall Harmonie im Gleichmaß von
Ruhe und Bewegung, im Widerspiel von Wasser
und Stein ebenso wie in der krönenden Ge-
stalt selbst. Merkur selbst ist Ruhe in der
Bewegung, reizvoll und im Anschauen nicht
ermüdend durch den Reichtum der Bewegungs-
motive. Die Gestalt des Handelsgottes ist dar-
gestellt wie im Ausschreiten nach links und so
die Haltung von Oberkörper und rechtem Bein;
da scheint von rechts her ein anderes Motiv
einzuwirken, die Bewegung dorthin ablenkend,
und schon beginnt in der Wendung des Kopfes
und des linken Beines ein zweites Motiv das
erste zu durchkreuzen. Auch das Spiel der
Hände fügt ein neues, selbständiges Motiv hinzu.

Der Brunnen findet in der Architektur des
sehr konventionellen Platzes keinerlei Unter-
stützung. Umgekehrt gibt er dem Platze Ein-
heit und Charakter, die schönste Aufgabe eines
Monumentes so erfüllend: einen Platz zusam-
menzufassen. Und wer mit dem wasserbe-
lebten Brunnen selbst Zwiesprache halten will,
vor dem erhebt er sich in der schlanken,
reinen Silhouette seiner belebten Pyramide
gegen den Himmel.

Der Brunnen ist von vaterstädtischer Bürger-
liebe gewidmet. „Zur Erinnerung an Anton
L. A. Hahn gestiftet von seinen Söhnen", sagt
die Inschrift des Brunnenschaftes. Für Frank-
furt ist er ein neues schönes Werk der Mo-
numentalkunst, das erste seit Kolbes Heine-
Denkmal von 1913, das zweite seit dem mehr
als hundertjährigen Hessen-Denkmal vor dem
Friedberger Tor. c. G.

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