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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Haendcke, Berthold: Weltkrieg und Bildnisplastik
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WELTKRIEG UND BILDNISPLASTIK

Von Berthold Haendcke

Eine mit fast mathematischer Sicherheit
vorauszusagende künstlerische Folgeer-
scheinung des Weltkrieges wird für unser
Vaterland eine Blüte der Bildnisplastik sein;
denn in allen künstlerisch entwickelten Zeiten,
in denen die Völker in ihren einzelnen Per-
sönlichkeiten mit deren gesamtem Können
vom Schicksal zum Kampfe gezwungen wor-
den sind, hat sich der Wille geregt, diese
Menschen einzeln nach ihrem individuell-
charakteristischen Wesen zu erfassen. Ganz
besonders in Deutschland. Denn die ger-
manischen Völker haben seit der Entfaltung
eines höheren Kunstvermögens stets und zu-
erst das scharfe Auge für die charakteristische
Erscheinungsform der einzelnen Individuen
besessen. In den Niederlanden und im Deutsch-
land des 15. und 16. Jahrhunderts sind die
ersten Meisterwerke der Bildniskunst, aller-
dings der Masse nach als Malerei, geschaffen.

In jenen Zeiten riefen vor allem die Fragen
des geistigen Ringens die Persönlichkeit auf
den Kampfboden des Lebens. Damals, im
16. Jahrhundert hieß es, in den Landen dies-
seits der Alpen seinen Mann als geistigen
Kämpen stellen; denn die mächtigsten Stützen
der geistig-religiösen Weltordnung, die durch
rund 15 Jahrhunderte aufgebaut waren, schienen
zu zerbrechen. —

Eine schier unübersehbare Menge von Bild-
nissen im späteren 16. und 17. Jahrhundert
zeugt davon, daß auch diesmal die bildende
Kunst den Nerv des Lebens zu fassen ver-
standen hatte, wenngleich oft mit wenig
sicherer Hand.

Und wie wird in unserer Zeit die Bildnis-
plastik sich darstellen, wenn die Künstler dem
„Volke in Waffen" in Herz und Kopf so tief
geschaut haben, daß sie Art und Wesen mit
festen Formen zu umkleiden vermögen? —
Das ganze deutsche Volk wird vornehmlich
eine Schilderung der großen Heerführer wün-
schen ; in diesen eine Verdolmetschung des
Krieges verlangen, den Millionen durchkämpfen
und, wie wir erwarten, durch einen ruhm-
reichen Frieden besiegeln.

In welcher Gestalt wird unser Volk seine
leitenden Führer dargestellt sehen wollen?
Es ist ohne weiteres klar, daß hier die Ge-
fahr einer Heroisierung heraufbeschworen
werden kann. Ich sage, die Gefahr, denn —
um ein Beispiel zu geben — ein deutscher
Kaiser in antikisierender Halbnacktheit, wie

Kaiser Friedrich III. in Bremen von Tuaillon
gemeißelt ist, erscheint mir trotz aller im
engeren Wortsinne künstlerischer Vorzüge als
eine Entgleisung für einen neuzeitlichen Bildner
aus germanischem Blute. Diese Auffassung
entstammt dem romanischen Kunstgeiste und
wird hoffentlich in deutschen Landen nicht
wieder in monumentalen Bildwerken ver-
körpert werden.

Wesentlich anders steht die Forderung nach
heroisch-symbolischer Fassung, wie sie, meiner
Ansicht nach, auch heute noch am voll-
endetsten Lederer in seinem Bismarckdenkmal
zu Hamburg geboten hat. Wie bei der je-
weiligen Aufgabe ein solches Ziel erreicht
werden kann, muß selbstverständlich dem
Genius des einzelnen Bildners überlassen
werden. In vielen Fällen wird in gut deutschem
Sinne die einfache Bildnisstatue verlangt
werden. Hier entsteht von neuem eine recht
erhebliche Schwierigkeit. Die weit ausge-
dehnten Schlachten unserer Tage schalten so
sehr die Gestalt des Feldherrn aus, und stellen
so bezwingend die geistigen und seelischen
Energien in den Vordergrund, daß Arme
und Beine, wenn ich mich so ausdrücken darf,
eigentlich fortfallen, der Kopf die Figur gänz-
lich überwältigt, schier beseitigt. Ja, es wird
im Durchschnitt bei der Bildnissratae unserer
volkstümlichen Generale kaum über eine gute
Atelierhaltung herauszukommen sein. Gewiß,
immer wieder werden die Künstler auch die
Bildnisstatue als Standbild wie als Reiter-
bildnis zu schaffen versuchen, und in dem
Gesamtbilde, das Moment des Sieghaften aus
dem Charakter der Zeit zu verdolmetschen be-
gehren; aber dann werden wir wieder mehr oder
weniger zu jenen Bildnissen von symbolischem
Grundcharakter gelangen. Im allgemeinen darf
man, meiner Ansicht nach, sagen: Die „Stu-
dierstube" des Feldmarschalls nimmt die Stelle
des Kampfrosses ein. Geistig-seelische Kräfte
bezwangen vorab die Feinde. Diese müssen
in ihrer individuellen Eigenart in den Wider-
schein des Lebens für alle Volksgenossen,
für alle Tage heraufgeführt werden, wenn die
körperliche Erscheinung jener Männer des
Sieges von Künstlerhänden der Zukunft ge-
schenkt wird. Aber wir, die Mitlebenden
und auch unsere Nachkommen wollen noch
mehr! Wir ersehnen das Große, was jene
mit starkem Können vollbrachten, immer wie-
der von neuem zu erleben. Deshalb meine

Die Kunst für Alle XXXI.

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