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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Die Zukunft der Münchner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0124

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DIE ZUKUNFT DER MÜNCHNER SECESSION

Die Ausstellung der Münchner Secession
am Königsplatz hat programmgemäß am
letzten Oktobertag ihr Ende genommen, und
wenn nicht noch ein außergewöhnliches Er-
eignis eintritt, ist damit die Herrlichkeit der
Secession in diesem dem Staat gehörigen, aber
seit nahezu zwanzig Jahren der Secession miet-
weise überlassenen und von ihr vorzüglich aus-
gebauten Haus zu Ende. Das ist an sich keine
Ueberraschung. Schon im Jahre 1913 hatte
man seitens des Staatsministeriums des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten die
Secession wissen lassen, daß man das Gebäude
dringend notwendig zur Aufstellung der Vasen-
sammlung und des Antiquariums bedürfe, daß
man mit der Ueberführung dieser Sammlungen
in das Ausstellungsgebäude am Königsplatz den
Stein ins Rollen bringen und die „Neugruppie-
rung" der Münchner Kunstsammlungen, die plan-
mäßig definitiv festliege, beginnen wolle. Um
die Secession zu beschwichtigen, stellte man ihr
einen ausgezeichneten Bauplatz, in der Nähe des
Lenbachplatzesgelegen, auf eine lange Reihe von
Jahren kostenlos in Aussicht und es war auch
viel die Rede von einem Mäzen, den das Mini-
sterium der Secession zuführen wollte: dieser
Herr sollte bereit sein, der Secession zu sehr
mäßigem Zinsfuß die nötige Geldsumme für den
Bau eines Ausstellungsgebäudes auf zwanzig
Jahre vorzustrecken. Damit schien alles in Ord-
nung und die Sache gedieh: Carl Sattler hatte
schon die Pläne für den Neubau entworfen
und die Secession selbst schien förmlich ein-
gehüllt in eine Wolke des Wohlwollens, nicht
nur von der Kammer der Abgeordneten, sondern
auch vom Ministerium her.

Der Krieg zerschlug alle diese Pläne und
Erwartungen. Unter unendlichen Schwierig-
keiten und Opfern setzte die Secession ihre
gelungene Sommerausstellung 1915 ins Werk,
vom Neubau war aber vorläufig nicht mehr
die Rede, um so mehr als man hoffte, das Mini-
sterium werde während der Kriegsdauer die
bestehenden Verhältnisse aufrecht erhalten und
die Secession nicht obdachlos machen. Das
Ministerium aber, wo das Kunstreferat in-
zwischen in andere Hände übergegangen war,
zeigte sich zwar offiziell immer noch „überaus
wohlwollend", aber es blieb bei der Kündigung,
und unerbittlich hält man daran fest, daß im
Monat November die Secession ihre Aus-
stellungssäle räumen soll (Packräume und das
Depot für die wertvolle Galerie bleiben noch
etwas länger überlassen).

Die Secession sieht sich also auf die Straße ge-
setzt. Denn von dem Neubau, dem vorzüglichen
Bauplatz und dem Mäzen ist schon lang nicht
mehr die Rede. Der Secession wird neuerdings
von ministerieller Seite zugemutet, im Glas-
palast auszustellen, genau wie sie das alle vier
Jahre gelegentlich der Internationalen Kunst-
ausstellungen vertragsgemäß tun muß. Haus-
herr im Glaspalast ist aber die Münchner
Künstlergenossenschaft. Die Secession wäre
also dort nur Gast, nur eine Gruppe neben
den vielen Grüppchen, die zur Sommerszeit
in dem gläsernen Gehäuse Unterschlupf finden.
Der Würde und den Verdiensten der Secession
wäre ein derartiges Aufgehen in der großen Masse
und damit zugleich ein Aufgeben ihres Selbst-
bestimmungsrechtes durchaus zuwider, aber
auch die Münchner Kunstfreunde kämen da-
bei schlecht weg, denn nur der freie und un-
gehemmte Wettbewerb der Secession und der
Genossenschaft bürgt für die Entfaltung aller
Kräfte im Münchner Kunstleben; die beiden
großen Gruppen können wohl nebeneinander,
aber niemals zusammen gedeihen. Abgesehen
davon wäre diese dauernde Gastfreundschaft
und Gastrechtsbeanspruchung gleichbedeutend
mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der
„Secession", die bisher einen ziemlich kost-
spieligen Verwaltungsapparat aufrecht erhielt.
Denn natürlich fließt der Hauptanteil an Ein-
trittsgeldern, Katalog u. ä. in die Tasche des
Hausherrn. Die Secession käme günstigsten-
falls mit einer schmalen Pauschsumme zum
Zug, die nie ausreichte, die Beamten des Ver-
eins zu besolden und die verschiedenen Un-
kosten zu bestreiten. Das in den letzten Jahren
an und für sich recht bedenklich zusammen-
geschmolzene Vermögen der Secession würde
unter solchen Umständen im Laufe weniger
Jahre völlig aufgebraucht sein.

So sieht sich denn die Zukunft der Secession
recht wenig hell und hoffnungsvoll an. Und
doch — wenn das Ministerium sein Wohl-
wollen ernsthaft beweisen wollte, wenn es
seinen Versprechungen, die neuerdings sehr
allgemeiner Natur geworden sind, greifbare
Formen geben wollte und wenn vor allem der
vorsichtige und rasch sich ins scheinbar Un-
vermeidliche schickende Ausschuß der Se-
cession sich endlich aufs Fordern statt aufs
Bitten verlegen wollte, dann könnte alles noch
ganz gut werden. Mit der Ueberführung der
Vasen scheint man es ja neuerdings nicht
so eilig zu haben, die Sage geht, daß man sie

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