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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Westheim, Paul: Brief an einen jungen Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0150

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KARL MAYR-GRAZ ALTER AI ANN

Ausstellung der Galerie Heinemann, Manchen

nicht angewiesen zu sein. Und außerdem, Sie
wissen, Zeiten, in denen viel Luxusgeld übrig
ist für so unbezahlbare Werte, wie sie die
Zunftgenossen der Mozart, Goethe und Hol-
bein schaffen, sind recht oft nicht diejenigen,
die in der Kunstgeschichte als die ausgezeich-
neten Kapitel hervortreten. Die Zeit nach 70,
das genügt wohl. Diese materielle Seite der
Angelegenheit — für viele derer, die Kunst
oder angebliche Kunst machen, eine sehr ernst-
hafte — ist, darüber dürften wir uns einig
sein, von geringerem Belang. Es ist sogar zu
glauben, daß ohne alle materiellen Antriebe
aus wahrhaftem Idealismus heraus Bedeuten-
deres entstehen würde als durch die zweifel-
hafte Art von Kunstförderung, wie der heutige
Plutokratismus sie an sich hat.

Ich meine und wage es auch einmal auszu-
sprechen, der Künstler kann in dieser Zeit
nicht leben. Verdammt, unschöpferisch zusein,
ohne Stimme und Widerhall dabei zu sitzen,
wenn in der Massenverblendung dieser Kriegs-
wirren die Völker aufeinanderschlagen, nimmt
er sich nicht anders aus als der Seefisch, dem
man das Salzwasser entzogen. Wahrlich, Krieg
ist nicht das Element des Künstlers.

Für ihn gibt es heute nur drei Möglichkeiten.
Stumm sein, wie Sie, mein darum so viel wert-
geschätzter Freund, mit dem Tornister auf dem
Buckel in die russische Wüstenei hineinmar-
schieren oder Kriegsbilder und Kriegsgedichte
dem Aktualitätsbedürfnis der Daheimgebliebe-
nen liefern.

Das Würdigste und Zeitgemäßeste ist Ruß-

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