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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Wolf, Georg Jacob: Die Neuordnung der Staatlichen Kunstsammlungen in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0308

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wigs I. von Bayern, enthalten, also in der
Hauptsache einen Ueberblick geben über die
deutsche und vornehmlich Münchner Kunst
von 1820 —1870, von Cornelius bis zu Schwind.
Die großen Historienbilder von Heß, Schorn,
Kaulbach, Piloty und der Rottmannsaal mit den
enkaustischen Landschaften aus Griechenland
bleiben dem Hause erhalten, aber auch die inti-
men landschaftlichen Malereien und Architek-
turen von Domenico Quaglio, Neher, Dorner
Wagenbauer, Zwengauer u. a. Mancherlei Be-
reicherungen sind beabsichtigt durch Heranho-
len der Depots in Schleißheim, wo Enhuber
und besonders die beiden Kobell mit ausge-
zeichneten Arbeiten vertreten sind, aber kaum
beachtet werden, durch Ueberführung der jetzt
im Armeemuseum aufgestellten W. v. Kobell-
schen Schlachtenbilder in die Pinakothek usw.
Ausgezeichnet ist der Gedanke, der deutschen
Kunst von 1820—1870 die Gruppen der deut-
schen Malerei des siebzehnten und des acht-
zehnten Jahrhunderts anzuschließen. Hierfür
kommen Bestände der Alten Pinakothek in
Frage. Der feine Münchner Porträtist Georg
Edlinger wird das Bindeglied bilden, Baich,
Georges de Marees, Roos, Loth und hinauf die
ganze Reihe bis Elsheimer wird man hier verei-
nigt rinden. Daß in dieser Epoche die deutsche
Kunst viel des Guten und Belangreichen hervor-
brachte, steht seit der Darmstädter Ausstellung
„Deutsche Kunst 1650—1750" außer Zweifel.
Zöge man gerade bei dieser Abteilung die Be-
stände der Filialgalerien heran, so könnte man
mit den Arbeiten von Prugger, Querfurt, Ku-
petzky, Paudiß, Tamm, Flegel, W. Dietrich u.a.
eine Galerie schaffen, wie sie bisher in ganz
Deutschland noch nicht existiert. . .

Das Erdgeschoß der Neuen Pinakothek, das
jetzt eine wahre Musterkarte der Zersplitte-
rung bildet, wird gänzlich freigemacht und aus-
schließlich den Zwecken der Graphischen
Sammlung überlassen. Solchermaßen wird
diese reiche, aber jetzt noch nicht hinreichend
wirksame und völlig unpopuläre Sammlung
Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Werte er-
halten. Vor allem werden ihr die Ausstel-
lungssäle mit gutem Nordlicht nützen; be-
denkt man, welche Fülle der Anregung von
den häufig wechselnden Ausstellungen der
graphischen Sammlungen in Dresden und
Mannheim ausgehen, so darf man mit Ver-
gnügen neues Leben von der Graphischen
Sammlung erwarten, wenn sie sich würdig
diesen Vorbildern anschließt.

In der Alten Pinakothek wird nicht nur der
Saal und das Kabinett, welche den „späteren
Deutschen" gelten, mit der Ueberführung dieser
Meister in die Neue Pinakothek frei, sondern

es ergibt sich auch Raum im Erdgeschoß in-
folge des Exodus der Graphischen Sammlung.
Unter Zuhilfenahme eines unter den „Loggien
des Cornelius" gelegenen, bisher unbenützten
Ganges im Erdgeschoß wird nach kleinen bau-
lichen Maßnahmen zunächst für Vasensamm-
lung und Antiquarium eine neue, erweiterte
Heimstätte geschaffen. Für Restauratoren-
Ateliers und für Depots gibt es gleichfalls
Platz und dabei bleiben noch die Nordräume
frei, wo sich jetzt die Studiensäle der Gra-
phischen Sammlung befinden. In diesen Nord-
kabinetten will Dörnhöffer die aus den Bestän-
den der Alten Pinakothek ausgewählte „Stu-
diensammlung" unterbringen, z.B.Werke der
Lokalschulen, Arbeiten von Meistern zweiten
und dritten Ranges, die zwar für die Forschung
von Bedeutung sind, aber weitere Kreise der
Kunstfreunde nicht interessieren, u. ä. Die
Hauptsammlung der Alten Pinakothek, die im
Obergeschoß verbleiben und recht eigentlich die
Auslese des bayerischen Gemäldeschatzes dar-
stellen soll, kann dann lockerer gehängt wer-
den als bisher, so daß die Perlen zu einer auch
äußerlich stärkeren Wirkung gebracht werden
und das ästhetische Behagen ausgelöst wird,
das mit jedem wahren Kunstgenuß, besonders
mit jedem Galeriebesuch verknüpft sein sollte.

Daß von der Neugruppierung der Münchner
Sammlungen und Galerien auf die Kunstfreu-
digkeit der Bürgerschaft und auf die Tätigkeit
der Künstlerschaft heilsame und belebende Wir-
kungen ausgehen werden, steht außer Frage,
und im Interesse Münchens als Kunststadt be-
grüßt man diese Maßnahmen, die im Laufe
des Jahres 1917 verwirklicht werden, aufs
freudigste. Es bleibt nur ein Wunsch übrig:
er gilt der Zukunft der Münchner „Secession".
Sie soll auf keinen Fall die Leidtragende sein
bei der Neuordnung der künstlerischen Dinge
in München. Muß sie das Kunstausstellungs-
gebäude räumen, so darf sie doch nicht obdach-
los werden. Zu einer wohlverstandenen bayeri-
schen Kunstpolitik gehört nicht nur die Pflege
des überkommenen Kunstbesitzes, sondern
auch die weitgehende Förderung des zeitge-
nössischen Kunstschaffens. Und deshalb wolle
die Staatsregierung ihre Versprechungen an die
„Secession" bald zu Taten werden lassen, da-
mit nach Wiederkehr des Friedens nicht allein
die Kunstsammlungen Münchens in neuem
Glänze erstrahlen, sondern auch die „Seces-
sion" im eigenen Haus, für das an der Elisen-
straße ein Bauplatz in Aussicht gestellt ist,
davon Zeugnis ablegen kann, daß die zeit-
genössische Kunst Münchens der Tradition,
von der die Museen künden, sich würdig er-
weist. Wolf

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