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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 31.1915-1916

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Philipp Helmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.13094#0347

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Indessen hat Helmer mit Ausnahme ganz
allgemeiner Züge, die Zeit und lokale Tradi-
tion bewirkten, mit Leibi so gut wie nichts
zu tun. Er gehört auch schon einer akade-
mischen Generation nach Leibi an. Helmer
ist ganz selbständig. Der Lindenschmit-
Schule dankt er kaum mehr als das Tech-
nische. Dagegen hat ihn die harte Schule
des Lebens viel gelehrt, hat ihn selbst hart
gemacht. Er mußte viel kopieren, des lei-
digen Verdienens wegen, und leider nicht
nur alte Kunstwerke, sondern auch soge-
nannte „moderne Meister", deren Bilder
wegen der Anekdote, die sie erzählen, „ge-
sucht" waren, Kitschsachen, die künstlerisch
weit unter dem standen, was Helmer selbst
konnte, wollte und — nicht malen durfte.
Endlich floh er aufs Land. Die stille, ein-
same Landschaft des Dachauer Mooses hatte
ihn gelockt. Olching und Esting bei München
wurden die Stationen seiner malerischen
Entwicklung. Er lebte wie ein Bauer unter
Bauern, zwanglos, und malte, was er wollte.
Es liegt nahe, zu vermuten, er sei im Moos
ganz Landschafter geworden. Das war aber
nicht der Fall. Vielmehr lockten ihn die Stu-
ben. Verräuchertes Mauerwerk in dämme-
rigen Küchen, ursprünglich bunte, aber von
der Patina der Jahrzehnte tonig zusammen-
gestimmte Schlafstuben in Bauernhäusern,
Ofenecken, Werkstätten, Herrgottswinkel.
Seine Landschaften von einer etwas undiszi-
plinierten hellen Buntheit malte er erst, als
ihm der Pleinairismus der Uhde- und Her-
terich-Zeit das gute Rezept verdarb: da

wollte er einen Flug mitmachen, der seinem
Wesen nicht entsprach, für den ihm, der zur
Generation der siebziger Jahre gehörte, die
inneren Voraussetzungen fehlten. So ergibt
es sich ganz natürlich, daß Helmers beste,
stärkste Werke unter den in den Jahren 1875
bis 1882 entstandenen zu suchen sind. Trotz-
dem verirrte sich auch in sein spätes Werk
und Schaffen manches feine Stück, das von
der starken Kunst Helmers Zeugnis ablegt;
so etwa das blumenbekränzte Mädchen von
1900 und das gleichzeitige Blütenstilleben,
eine Gelegenheitsarbeit, ein Hochzeitsge-
schenk an den Lehrer von Esting.

Die beste Leistung scheint Helmer mit
dem ganz hell und locker gemalten, mit
breiten und weichen Pinselhieben hingesetz-
ten Knabenkopf von 1882 gelungen zu sein.
Was bei seinen Bildnissen und Studien-
köpfen der siebziger Jahre noch fest und ge-
bunden erscheint, ist hier vergeistigt, in die
Sphäre des Schwebenden, Unwirklichen,
Rein-Malerischen hineingesteigert. In der
„Fassade des Asam-Hauses", in dem „Ate-
lier-Innern", dem Altmünchner Straßenwin-
kel mit Brücke und Bäumen grüße ich ähn-
liche Höhepunkte von Helmers Kunst, die —
auch außerhalb des Zusammenhangs mit
Leibi — von der Mannigfaltigkeit der Er-
scheinungen im Münchner Kunstleben der
siebziger und achtziger Jahre zeugt und
darüber hinaus die Kenntnis einer um ihrer
selbst willen interessanten und liebenswerten
künstlerischen Persönlichkeit vermittelt.

PHILIPP HELMER STILLESEN (1899)

Mit Genehmigung der Modernen Galerie (H. Thannhaaser), München

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