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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Möbel-Tischlerei in England
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0102

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Seite 80.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Mai-Heft.

befugt, jeden tendenziösen Schmuck auf seine Existenzberech-
tigung zu prüfen. Betrachtet man in diesem Sinne die Möbel
und Holzgeräthe, wie man sie in den Londoner grossen
Handlungen ausgestellt sieht, so wird man bald finden, dass
auf diesem Gebiete in England noch viel zu wünschen übrig
bleibt, dass man daselbst bezüglich der Möbeltischlerei (cabinet
making) noch viel zu lernen und mehr noch zu verlernen
hat. — Ganz arge Missgriffe bei grossen und werthvollen
Möbeln, etwa nach Art der Shakespeare- oder der Robinson
Crusoe - Sideboards, wie man sie ehemals oft zu finden Ge-
legenheit hatte, werden wohl heutzutage vermieden, aber
immerhin verbleiben Ungeschicklichkeiten genug, die sich
sozusagen von Generation zu Generation fortpflanzen und
höchstwahrscheinlich noch lange in den Möbelhallen der
grossen Firmen für irgend einen mit Spleen behafteten Käufer
aufbewahrt werden. Was nun das Material und die Farbe
der Möbel in England anbelangt, so fällt einem zunächst auf,
dass ersteres zumeist, besonders für die feineren Stücke und
für die Luxusmöbel, den allertheuersten Holzgattungen ent-
stammt, während die Farben nicht selten grell sind. Auf-
fallend ist, dass Eichenholz äusserst selten Verwendung findet,
daher sind die wenigen aus diesem Material angefertigten
Möbel in der vornehmen Welt sehr gesucht, müssen aber
stets mit ganz unverhältnissmässig hohen Preisen bezahlt
werden. Amerikanisches und italienisches Nussbaumholz
kommt immer mehr und mehr in Aufnahme, und dient heute
nahezu ausschliesslich für alle feineren Möbel, soweit dieselben
den Stoff ihres Körpers überhaupt noch zur Schau tragen
und nicht unter Fourniren, Metall-Appliken oder anderem
verbergen. Mahagoni beherrscht nach wie vor das Gebrauchs-
mobiliar des bürgerlichen Hauses in England und wird dort
vielfach massiv verwendet. Es ist dies eine Verschwendung,
die sich der englische Kleinbürger erlauben darf — in Deutsch-
land würde man sich über solche kostbare Möbel in der
Mittelklasse wundern, da man dort ja wohl noch heute
gewöhnt ist, Mahagoni nur als Fournier auf Tannenholzkernen
anzutreffen. Allerdings spielen auch das Eschenholz in massiver
Verarbeitung und andere Holzgattungen in der Möbeltischlerei
Altenglands bedeutende Rollen. Die Vorliebe für Marquetterie
aller Art führt daselbst zu äusserst mannigfaltiger Verwendung
der seltensten und schönsten exotischen Hölzer.

In Schnitzereien als dekorative Hülfsmittel der Möbel-
tischlerei sind die Engländer sehr schwach, dafür zeigen sie
eine grosse Hinneigung zur Ausschmückung ihrer Möbel mit
Intarsien. Nicht selten begegnet man in den grossen Kunst-
tischlereien demjenigen Intarso, das ein aus Elfenbein geschnit-
tenes und gravirtes Ornament ist, das in einem Grunde aus
dunklem Holze, gewöhnlich Ebenholz, ruht. Der Ursprung
dieser Absonderlichkeit ist eigentlich auf den Antiquitäten-
handel, der vielleicht nirgends mehr in Schwung ist wie in
London, zurückzuführen. Aber gewiss wird auch in keiner
zweiten Stadt der Welt mit diesem Handel so viel Unfug
getrieben wie gerade hier. Man begegnet nur ganz aus-
nahmsweise einem ausgebildeten Verständniss für die stilisti-
schen Bedingungen der Technik, für welche zweierlei mass-
gebend sein sollte, nämlich das richtige Verhältniss des
schwarzen Grundes zum weissen Ornament, und sodann die
Art der Gravirung. In ersterer Hinsicht leiden viele Arbeiten,
welche gerade jetzt in den grossen Etablissements zu sehen
sind, unter der Sucht, im Eingelegten tendenziöse Darstel-
lungen wiederzugeben, welche Sucht dann oft genug dahin
führt, den dekorativen Grundzug, der in anderen Ländern,
wie Frankreich und Italien so beliebten Flächenverzierung
schliesslich gänzlich dem Bilde zu opfern. Anstatt anmuthig
geschwungenes Laubwerk mit schicklich angebrachten Figuren

oder etwa grotesken Bildungen derartig über die Fläche
auszubreiten, damit das Weiss des Elfenbeines und das
Schwarz des Holzes in einem dem Auge wohlthuenden
Rhythmus wechseln, ist man nur allzu oft bestrebt, irgend
einen alten Kupferstich, wie er eben zur Hand sein mochte,
auf einer nach den Kontouren des Dargestellten ausgesägten
Elfenbeinplatte getreulich nachzugraviren und diese Platte in
schwarzen Grund zu legen, sodass Weiss und Schwarz in
grossen und unregelmässig kontourirten Flächen nebeneinander
stehen. Dass die Stücke Elfenbein nicht immer gross genug
zu finden sind, um solchen Launen zu genügen, somit oft
Spuren der ursprünglichen Trennung die Darstellungen störend
durchschneiden, dass auch die Haltbarkeit des Fourniers durch
das unausbleibliche Reissen der grossen Stücke Elfenbein
gefährdet wird, sollte für den denkenden Kunsthandwerker
ebenso sehr auf der Hand liegen, wie er wohl ermessen
könnte, dass eine stilvolle Behandlung des Materials ihm bei
Verwendung kleinerer Elfenbeinstücke sowohl die Verbergung
der Fugen erleichtern, als auch seiner Arbeit grössere Dauer-
haftigkeit sichern würde. Aber in England sind andere
Gründe ausschlaggebend! Auf einen diesbezüglichen Einwurf
gab dem Schreiber dieses ein bekannter sehr geschickter
Arbeiter zur Antwort, dass die grossen Elfenbeinstücke viel
werthvoller seien als die kleinen und daher in ihrer ganzen
Mächtigkeit Verwendung finden müssten. o. W. — L.

Zu dem trefflichen Aufsatz: »Ein Privat-Museum« von
Oskar Dedreux, Augsburg, möchten wir gleich an dieser
Stelle eine Ergänzung bieten, da ganz besonders in letzter
Zeit die Frage: »Wie sollen wir unsere Kunstgewerbe-
Museen einrichten?« lebhafte Erörterung gefunden hat und
zwar zwischen den bedeutendsten Fachleuten, so zwischen den
Museums - Direktoren Wilhelm Bode und Julius Lessing in
Berlin in den Zeitschriften »Pan« und »Kunstgewerbeblatt«.
Wie weit die Meinungen auseinandergehen, das dürften wohl
die Museums - Leiter am schmerzlichsten empfinden, denn
schliesslich herrschen in jeder Stadt wieder ganz bestimmte
lokale Verhältnisse, denen zunächst Rechnung zu tragen ist.
Die von dem verstorbenen Direktor Schiffmann im Salzburger
Museum schon vor 15 Jahren eingerichteten malerischen
Innenräume haben eigentlich nur den Wünschen des grossen
Publikums entsprochen, die Räume des Berliner Kunstgewerbe-
Museums dagegen den Anforderungen der Künstler, Gelehrten
und Handwerker in vollstem Maasse und so auch das Ham-
burger Museum. Neu gebaut und neu eingerichtet werden
jetzt das Bayerische National-Museum zu München und das
Städtische Kunstgewerbe-Museum zu Köln und man darf ge-
spannt sein, welches von beiden den praktischen Bedürfnissen
und billigen Wünschen am meisten gerecht werden wird. —
Das Berliner Kunstgewerbe-Museum hat auch bereits abends
bei elektrischer Beleuchtung seine Schätze gezeigt, man muss
abwarten, welche Kreise sich diese Vergünstigung zu nutze
machen; bekanntlich ist der Handwerker (Meister, Geselle wie
Lehrling) tagsüber so in Anspruch genommen, dass abends
mehr von einem Geniessen als von einem Lernen die Rede
sein kann. Aus diesem Grunde tritt man ja auch allerwärts
dafür ein, Unterrichtsstunden für Handwerker in die Tageszeit
zu verlegen. Mit der Verleihung der Museums-Objekte ist
man bereits in liberalster Weise vorgegangen, so namentlich
in Köln und Düsseldorf, wo thatsächlich dem Handwerker
oder dem Künstler jedes Stück zur Verfügung steht, soweit
nicht aussergewöhnliche Kostbarkeit oder Zerbrechlichkeit
daran hinderlich ist. — Die umfassende Lösung aller Aufgaben
der Kunstgewerbe-Museen, wie überhaupt der Museen dürfte
kaum schon in unserer Zeit liegen. Die Redaktion.
 
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