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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Frantz, Henri: Emile Gallé, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0111

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Seite 88.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

sich nicht einige dieser kostbaren Vasen befinden. Zwei
Elemente kommen in seiner Kunst besonders in Betracht:
die Form und die Farbe. Betrachte man nur die Gläser
Galle's, solche sind ausgestellt im Musee du Luxembourg
und im Musee Galliera, unwillkürlich wird man in Staunen ver-
setzt durch die Formen dieser Vasen. Bald sind es römische
Amphoren mit langen Hälsen, welche, wie es scheint, bestimmt
sind, seltene und zarte Blumen zu tragen, bald sind es breite
Urnen, auf welchen sich eine geheimnissvolle Pflanzenwelt
entfaltet, die in das geätzte und gravirte Ueberfangglas ein-
gebettet scheint. Des weiteren sieht man Schalen in Kelch-

setzungen stellt er Farben her, ähnlich den Schuppen und
seltsamen Flammen moosiger Achatsteine, Onyxe, Quarze
und Glimmer, mit einem Worte: alle die wunderbaren Zu-
sammensetzungen , mit welchen die Natur spielt, kennt auch
der Meister des Glases.

Ein poetisches Element in die Kunst des Glases einge-
führt zu haben, ist gleichfalls das Verdienst Galle's, welcher
versucht hat, den Eindruck zu bekräftigen, welchen eine solche
Vase auf uns machen würde, auf welcher ein Vers oder ein
Satz eingravirt ist, der den Sinn der Darstellung ergänzt.
Diese Idee ist schon oft angegriffen worden, und darum muss

Abbildung Nr. 841. Aus der Diele einer Villa zu Blasewitz bei Dresden. Entwurf und Ausführung: Franz Schneider, Leipzig.

Form, zerbrechliche Fläschchen in unzähligen und verschie-
denen Formen, in welchen sich seine Gestaltungskraft, seine
Fantasie, jede Wiederholung meidend, in steten Neubildungen
fast unerschöpflich zeigt.

Und doch — Galle ist noch mehr ein Schöpfer der
Farben als der Formen und es ist eine förmliche Skala zu-
sammengesetzter und unvermutheter Farben, welche die Gläser
leuchten lassen, welche von seiner Hand geschaffen sind.
Keiner weiss besser zu spielen mit den Färbungen und durch-
sichtigen Farben und keiner weiss manchmal glanzlosere und
dunklere Massen zu finden als er. [Mit Kobalt-Oxyd scheint
er Mondschein-Reflexe zu erreichen. Mit anderen Zusammen-

ich mich in einigen Worten darauf berufen. Es ist in der
That nicht das System, welches zu tadeln ist, denn ich weiss
mir in der That keine reizendere Steigerung der künstlerischen
Absicht zu denken als den schönen Vers eines guten Dichters,
sich gleichsam hineinschmeichelnd unter die Blumengläscr
Galle's. Das ist ein erhöhter Reiz. So die Vase, auf der unter
den dunklen Blumen der reizende Vers Verlaine's zu lesen
ist, welcher singt: »Sie hat ihre göttlichen Augen geschlossen«.

Unglücklicherweise und mit Unrecht begeistert sich Galle
für die schlechten Verse Montequien's, anstatt immer Dichter von
wahrem Talent aufzuführen, die ganz besonders seinen Schöpf-
ungen den geeignetsten Kommentar geben würden. (Schiuss s.91.)
 
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