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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Bredt, Ernst Wilhelm: Die Wohnstätte eines Maler-Fürsten als Vorbild für Jedermans Heim, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0122

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Seite 98.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juli-Heft.

schöne Formulirung der Lebensweisheit einer in sich harmo-
nischen, schön gebildeten und grundehrlichen Persönlichkeit
finden. Doch welche Persönlichkeit haben wir hier im Auge?

Franz von Lenbach. Ihn werden wir in seiner Wohn-
stätte kennen lernen und wenn wir aus dieser ein Vorbild
für das eigene Heim mitnehmen, so werden wir dies doch
nur seiner Persönlichkeit zu danken haben.

In welcher Weise wir aber Lenbach's Heim am besten
betrachten, das dürfte uns das dem Aufsatze vorgesetzte Wort
Schopenhauer's schon angedeutet haben. Wir wollen unser
Hauptaugenmerk auf das Ganze des einzelnen Raumes, auf
das Ganze des Hauses richten. Wohin würde uns auch das
eingehende Betrachten der Einzelheiten vom historischen oder
ästhetischen oder allgemein nützlichen (kunstethischen) Stand-
punkte aus führen? Würde doch eine derartige Besprechung
eines einzigen Raumes schon gut und gern ein Heft dieser
Zeitschrift ausfüllen! Aber wenn auch wirklich die Besprechung

Abbildung Nr. 851. Vorzimmer im Atelier-Gebäude der Villa Franz von Lenbach's, München

jedes einzelnen Gegenstandes durchführbar wäre, so bin ich
doch überzeugt, dass keine Betrachtungsweise dieser Räume
verkehrter, keine mehr der Auffassung des Künstlers wider-
sprechen würde als eben diese. »Non multa — multum«
muss hier unsere Losung sein. Nicht vielerlei Einzelheiten
— sondern ein Vieles. Vielerlei kann uns der erste beste
Schulmeister beibringen, ein Vieles zu lehren vermag nur
ein Meister. Gar viele schöne Einzelheiten finden wir in
jedem Museum und Lenbach's Haus enthält mehr schöne
Dinge als manches Museum. Aber das Wesen des Schönen
und der Kunst lernen wir dort nur selten kennen, Lenbach's
Räume aber lassen uns dies in einer immer gültigen Weise
erkennen, feder Raum lehrt uns hier, dass eine Dekoration,
die als etwas selbständiges sich breit macht, immer etwas
Inferiores ist, dass sie aber eine künstlerische Leistung
genannt werden muss, sobald sie zur wesentlichen Schönheit
des ganzen Raumes oder Bildes als unerlässlich erscheint.
Wie kam Lenbach zu der Meisterschaft auch in dieser

Beziehung? Wird es nicht in der Art seines Schaffens ge-
legen sein? Thatsächlich lässt sich eine nicht unwesentliche
Parallele zwischen seiner Art des Portraitmalens und der
Art des »Dekorirens« , des Gestaltens seiner Räume ziehen.
Das wird einem sehr klar, wenn man einmal, nachdem man
gesättigt von dem wohlthätigen, vornehmen Eindrucke der
Räume mit immer neuem Reize an die Betrachtung der
zahllosen, künstlerisch stets werthvollen Einzelheiten geht —
und nun den Meister bei seiner Arbeit im Atelier beobachten
darf. Wie schnell und scharf hat er die karakteristischen
Züge, die karakteristischc Haltung des zu portraitirenden in
sich aufgenommen und auf der Leinwand fixirt! Wie weiss
er durch geistvolles Fragen und Aeussern die Seele desselben
zu ergreifen! Häufiger sieht man ihn vom Bilde fernstehen,
dann nach scharfer Beobachtung der betreffenden Person in
einem fast momentanen Pinselstrich dem Portrait ein Etwas
hinzuzufügen, ohne das man es sich nach seiner Vollendung

nicht denkenkann. Vollständig
beherrscht er die malerische
Technik — aber nicht die
oberflächlich-moderne — son-
dern jene, die er mir gegen-
über einmal an den alten
Meistern rühmte: »nicht nur
die richtige Anwendung der
Pinsel, sondern auch ein
fachgemässes Verstehen der
wechselseitigen Wirkung der
Farben . . ., die Kunst, das
Ganze zu einem farbenharmo-
nischen Bilde zu machen. <
Lenbach bemüht sich nicht,
thörichter Weise die Lokal-
farben der Natur abzuschrei-
ben — er versteht sie auf
die Leinwand zu übersetzen.
Genau so wie das Bild, so
schafft er seine Räume. Er
erkennt von jedem einzelnen
schönen Stück das ihm We-
sentliche, er nimmt es aber
nicht einfach aus dem Anti-
quitäten- oder Kunstladen und
setzt ein Stück neben das
andere — oder ordnet sie gar
nach historischen oder land-
schaftlichen Gruppen — son-
dern er wägt geschickt ab, wo es in seine Räume -»hin-
gehört«.. Bei dieser grossen Schaffensart muss es ihm auch
ein leichtes sein, gelegentlich einmal für ein Künstlerfest
oder dergleichen eine grosse Koulisse zu malen oder mit dem
ersten besten Reisigbesen hohe Säulen in wenig Minuten zu
»marmoriren« — so aber, dass es keine Pf uscher-Arbeit ist,
sondern die Bewunderung und den Dank der auf geniale
Weise belehrten Fachleute erregen muss. Weil er auf diesem
hohen Standpunkt steht und keine echte Kunst für gering
achtet, so glauben wir sofort beim Eintritt in seine Räume,
Alles, was darin sei, sei aus einer Zeit, einer Geschmacks-
richtung, einem Lande, ja es sei Alles aus einem Palaste der
Renaissancezeit — und finden doch beim »Herumschnüffeln«
gothische und antike, barocke und arabische Kunstsachen.
Echtes neben Unechtem. Nur Eines ist allen Dingen gemein:
Schönheit und künstlerischer Werth!

Auch das ist wesentlich. Denn man könnte ja auch auf
andere Art einen Raum schaffen, der ein harmonisches Ganzes
 
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