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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Bredt, Ernst Wilhelm: Die Wohnstätte eines Maler-Fürsten als Vorbild für Jedermans Heim, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0127

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Seite 102.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juli-Heft.

Bogenlampen) etwa dieselbe Beleuchtung als bei Tage. Zu-
dem wendet Lenbach gern zur Vertheilung des Lichtes die
bekannten japanischen Perlenschnürvorhänge an. Auf diese
geistreiche, einfache Weise erzielt Lenbach selbst bei Beleuch-
tung mit Bogenlampen, ein dem Tageslicht nicht nur ähnlich
einfallendes, sondern auch ein ihm ähnliches diffuses Licht.
Dieser Art der künstlichen und künstlerischen Beleuchtung
wäre grosse Nachahmung zu wünschen. Ja vielleicht beutet
ein findiger Kopf diese Idee weiter aus, so dass wir schliess-
lich die künstliche Beleuchtung kaum bemerken und Nachts
fast desselben Lichtes uns erfreuen als am Tage und unser
Schreibtisch selbst bei Nacht von vor dem äusseren Fenster
angebrachten Lampen das Licht erhält.

In diesem wie den übrigen Räumen empfinden wir nun
— gewiss nicht beim ersten Male, wohl aber bei wiederholten
Besuchen einen gewissen Mangel an bequemen Möbeln, wie
wir sie im modernen Hause in grosser Zahl und Mannig-
faltigkeit zu finden gewöhnt sind. Xun muss zunächst da-
gegen bemerkt werden, dass diese Räume ja nicht sozusagen
die Wohnzimmer, sondern mehr die Salons des Meisters und
seiner Familie bilden. Viel stichhaltiger wird aber dieser
Mangel gerechtfertigt durch die Lebensweise Lenbach's. Ich
glaube nicht, dass sie nur der vornehmen Idee des Ganzen
zuliebe so unkomfortabel geblieben sind, weil es dem Meister
gewiss ein Leichtes wäre, auch in einem ganz komfortablen
Räume die Idee des Grossen und Vornehmen auszusprechen.
Aber ich halte diese Art der Ausstattung ganz und gar dem
beständig thätigen, rastlos schaffenden Wesen Lenbach's ent-
sprechend. Für die kurze Mittagszeit, in der er sich Ruhe
gönnt, ist ihm eine behagliche Chaiselongue im Speisezimmer
genug. Jedenfalls wäre es vollständig verfehlt, aus jenen
wenig möblirten Räumen zu schliessen, dass sie etwa des
Staunens halber geschaffen seien oder Lenbach ein fürstlich,
beschauliches Leben führe, während doch jeder, je häufiger
er mit dem Meister zu verkehren Gelegenheit hat, deutlich
erkennt, wie noch ein grosser und berühmter Mann ein
unendlich ruheloseres Leben führt — als tausende Philister.

Gleich im ersten Räume ist ein kleines Schreibpult auf
dem Fensterbrett improvisirt, auf dem Lenbach »stans pede
in una« schnelle Korrespondenzen erledigt, Telegramme und
Kommissionen aufgibt. Zwischen Thür und Fenster steht ein
unscheinbares Harmonium, fast verdeckt von einem der
schweren seidenen chinesischen Vorhänge, die die Thüre zum
zweiten Räume einrahmen. Auf die weiteren Sachen kann
ich nicht eingehen, es führt, wie oben gesagt, viel zu weit.

Zudem lockt uns schon lange der plätschernde Quell
und die grünliche Lichtmenge des anstossenden Grotten-
zimmers (Abbildungen Nr. 858 und 859), Denn wie in eine
Märchenszenerie fühlen wir uns schon versetzt, wenn wir
von dem ersten Räume aus hineinschauen. Ein wasserartiges
grün-blaues Licht umfluthet den polygonen Raum, dessen
Wände und Plafond ganz von Muscheln und Steinen gebildet
und in vorzugsweise grünen Farben köstliche, launige, imitirte
Mosaikbilder zeigen. Das Licht fällt durch eine hohe Laterne
ein und durch die unruhige Fläche der Wände scheint es,
als ob die blaugrüne Luft beständig auf und ab tanzte. Ein
lebendiger Gegensatz zu der Ruhe und dem gewissen Ernst
der anderen Räume. In das grosse Marmorbassin führt von
der Wand aus eine Marmortreppe, über deren Stufen das
Wasser der Quelle herabplätschert. Zu der Seite steht ein
grünsammetner Thron, über dessen Lehne eine leuchtend rothe
Atlasdecke gelegt ist. Ausserdem befinden sich noch manche
Kostbarkeiten in diesem Raum. Neben anderen antiken
Kunstwerken steht in dem Ecke neben der Eingangsthüre
ein antiker weiblicher Torso von wunderbaren Formen und

noch wunderbarerem Ton. — Aber es gibt keine Zeit heute
zum Versenken in die einzelnen schönen Dinge und wir
müssen schleunigst diesen verführerischen, wie von Nixen
belebten Raum verlassen.

Gehen wir in's zweite Zimmer (Abbildung Nr. 85,5). Die
Umkleidung des Einganges von Marmor und Kalkstein ist
theilweise grün und dunkelroth bemalt. Die Wände sind
mit einem grobfädigen, grünen Gewebe bezogen. Der reiche,
gewölbte Plafond ist braun und mit matt vergoldetem Stuck
ornamentirt. In den Feldern sind leicht-blau getönte Reliefs,
meist der antiken Kunst entlehnt. Der Boden ist wie im
ersten Zimmer parquettirt und viel mit vorzugsweise orien-
talischen Teppichen belegt.

An diesen Raum stösst nun das noch viel grössere Atelier
(ca. 12:8 m). Als Ausgangspunkt so vieler unsterblicher
Werke, würde es uns mit einer grossen Reihe von fertigen
und halbfertigen Bildern ausserordentlich fesseln, doch da es
nicht zu den Wohnräumen im engeren Sinne zu zählen ist,
kann seine Beschreibung und Abbildung hier unterbleiben.

Wir verlassen somit das Atelier- oder Seitengebäude
und gehen in das eigentliche Wohnhaus, durch den Garten,
hinüber. Eine kleine, mit Figuren geschmückte Freitreppe
führt uns in das Vestibül, von dem Abbildung Nr. 852 eine
sehr gute Vorstellung uns gibt. Das Tageslicht fällt in diesen
Vorraum in dessen ganzer Breite durch eine Glaswand bezw.
Thüre hinein. Der Eindruck ist in Folge dessen freundlich
und heiter. Die Nische, in der auf dunkler Marmorsäule ein
schwarzer, antiker, rothfiguriger Krater steht, ist aus echtem
Mosaik gebildet und vorzugsweise in grünen und rothen
Farben gehalten. Darüber ist in die Wand ein antikes Relief
gelassen, ebenso wie in die starken seitlichen Wandpfeiler.
Der Boden ist mit weissen, röthlichen und schwarzen Marmor-
platten belegt, von dem sich der weisse Ton der Wände und
die ebenholzfarbenen Thüren mit imitirten Elfenbein-Intarsien
angenehm abhebt. Hier muss ich nun eine Bemerkung an
die reiche Verwendung von Gipsabgüssen knüpfen, weil auch
deren vielfache Aufstellung im deutschen Hause nicht nur
sehr wünschenswerth, sondern auch sehr leicht möglich wäre.
Es werden jetzt von grossen Anstalten so vorzügliche, exakte
Abgüsse von antiken und neueren Werken für so mässige
Preise geliefert, dass man sich wundern und es für die Bil-
dung wirklichen Schönheitsgefühles sehr beklagen muss, dass
diese, die meist nur um weniges billigeren oder — wenn sie
buntbemalt sind — gar theueren Schundabgüsse, wie sie
Italiener oder Fabriken »polychromer Kunstwerke« anpreisen,
noch gar nicht verdrängt haben. Wenn diese hartweissen
Abgüsse auch nicht jeder so raffinirt bemalen- kann, so wird
in den meisten Fällen durch ein einheitliches Tönen derselben
jeder sich selbst ein schönes, feinwirkendes Kunstwerk schaffen
können, wenn ihm nicht schon der exakte, weisse Abguss
eines Meisterwerkes Freude genug bereitet.

Wundervolle Reliefs dieser Art, so geschickt wie patinirte
Bronze oder polychrom bemalt, dass man oft glaubt, echte
Antiken vor sich zu haben, finden wir gar viele in Lenbach's
Haus. So ist das Treppenhaus, das uns jetzt zu den oberen
Festräumen führt, vorzugsweise durch derartige Plastiken
geschmückt. Wir kommen nun in den mittleren der drei
Festräume (Abbildung Nr. 853 und Beilage I), die in der
Nähe der Fenster durch breite und hohe offene Thüren ver-
bunden sind. Diese Räume sind von verschwenderischer
Pracht, besonders der mittlere, dessen reich vergoldete, barocke
Thürumrahmung Abbildung Nr. 853 detaillirt zeigt, über
der wiederum ein antikes Relief äusserst geschickt angebracht
ist. Ebenso reich sind die Plafonds, von deren vornehmer
Wirkung uns die Bilder eine gute Vorstellung geben. (ScMtmS.107.)
 
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