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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Spaeth, Karl: Betrachtungen über Entstehung eines Möbels
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0154

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Seite 126.

Illustr. kunstgewerbl.

Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

der den Anforderungen eines gut bürgerlichen Heims in jeder j
Beziehung zu dienen hat. Dieselbe Disposition wie ein ein-
zelnes Möbel verlangt ein ganzes Zimmer. Der Waschtisch 1
entsteht, wenn wir das Bedürfniss haben, alle jene nothwendigen I

Bedürfnisse zum

1- ,, .—y=-n-n 1 'i—~n—- t > vl| Waschen zusam-

jf^*'yliy T^vw—^ —> men vereint vor
^ / \ uns zu haben.

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V»^ A, ■frft? W für das Wasser,

y ^ _/ \_ Trocken-Tücher,

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\ / _ \ obachten zu kön-

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O O O 10 *+■ »'»stver-

-^\/ --iö cLV-Oy/-"r ständlich alles

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II—VT Tv^nl Handhabung.

iL^ä Ii—v^i kt-J Neben diesen

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,\. ^. _//x^^ ^ _, nissen sind es

n~^T fr~i noch andere

^v-il lUvjä kJl IL_^ Kleinigkeiten,

^-\V/-1 aW\N/! --v deren Standort

_^^'.„j Ii ex"-_ VVi beim Aufbauen

y&H] I IJ I i des Möbels gele-

L' L^i- L I L^fc ,V\-lj gentlich berück-

l _ \ vlj_,_;_ s sichtigt wird.

Diese Anforde-

Abbildung Xr. 88". Salamander Asbest-Tapete.

rungen nach

Früh - englisches Muster. . .

eigener Weise zu
verlangen, ist die

Aufgabe des Bestellers, womit er sofort den günstigen Um-
stand erzielt, dass nach Fertigstellung der Waschtisch sich
nach dem Besteller, und nicht umgekehrt der Besteller sich
nach dem Waschtisch richten muss.

Wir finden nun hier die Spiegel links und rechts, die
etwas grösser als die gewöhnlichen, die unglückseligen Spiegel-
schränke verlassen haben und hierher gewandelt sind. An
den Fussenden derselben sind kleinere Truhen, die zur Auf-
nahme von Hausschuhen oder dergl. dienen können. Auf
dem Waschtisch selbst befinden sich zwei Waschschüsseln
eingelassen oder lose hingestellt, darüber in der Mitte ein
kleiner Waschapparat, welcher auf einer grösseren, die Wand
bekleidenden Marmorplatte ruht, der Ablauf derselben würde
eben je nach der Anordnung der Waschschüsseln bestimmt.

Das wäre eine Auflösung der gemachten Anforderungen
an einen Waschtisch, es ist die Aufgabe des Bestellers, stets,
wie vorhergehend beschrieben, zu sagen, was er will, um
dann die Aufgabe getrost in die Hände des Fachmannes zu
geben, der alsdann zeigen kann, wie er es versteht, das
Gegebene in den Rahmen der Kunst zu bannen, wie er es
versteht, eine Harmonie zwischen Natur und Kunst zusammen-
zubringen.

Was er dabei beachten wird, sei in nachfolgendem skizzirt.
Da der Waschtisch mehr Ansprüche an eine praktische Ver-
wendung als an Reichthum macht, so ist es stilvoll, wenn
man denselben bescheiden zurücktreten lässt. Es genügt,
wenn die äusseren Konturen von ruhiger, dekorativer Wir-
kung sind. Er braucht dafür weder gepresste Engelsköpfe,
noch sonst mit viel Unverstand hervorgebrachte dekorative
Mittel. Der Preis der Möbel wird bestimmend sein, ob wir

der schmückenden dekorativen Theile grössere oder kleinere
\ Rechte einräumen. Einzig und allein wäre in diesem Falle
i vielleicht eine reichere Ausschmückung des Wasserbehälters
I gerecht, während alles andere, besonders die Holztheile,
möglichst einfach sein müssen, ja es wäre stilvoll, dem Holz
irgend welchen Nachdruck zu verleihen, da Holz und Wasser
keine für Freundschaft geeignete Elemente sind. Alles sei
nüchtern, zweckentsprechend, ohne Lärm, denn wir sehen nur
da einen idealeren Aufbau mit Genuss, wo gleichsam unsere
nächste Umgebung mit einstimmen soll in das Begehren
unseres Gefühls. Auch diesem Gefühl ist bei einem Wasch-
tisch-Entwürfe, soweit es sich gebührt, Rechnung getragen.
Der Leser kann es zwar aus diesen Worten nicht empfinden,
aber es müsste in der Ausführung um so wirkungsvoller
sein, wenn uns im Bilde das schöne Spiel des Wassers wieder-
gegeben ist, wie es sich losringt aus dem tiefen Bergesinnern,
vortritt unter gesättigtem Grün und abwärtsrauscht ins Thal
in ewiger Arbeit, ein Bild unseres Lebens. Ueberall in unseren
Zimmern soll uns der Odem, die immerwährende Frische der
Natur entgegenkommen, ganz entgegen jenem übermüthigem
Spiel mit unwahren Formen und Farben, die nur zu leicht
den Menschen jener wohlthätigen Ruhe berauben, die uns
umgibt, solange wir die Gesetze der Natur höher als uns
selbst achten. Gewiss, wenn wir so die Natur immer als
Meisterin verehren, uns in sie vertiefen, statt sie zu umgehen,
so muss daraus ein wahres, echtes Kunstgewerbe entstehen, das
den Namen »deutsches Kunstgewerbe« mit Stolz tragen kann.

Erst wenn wir den hohen, höchsten Adel der Natur ver-
stehen, werden wir auch imstande sein, unser Kunstgewerbe
zu adeln. Fragen wir uns also bei jeder Bestellung, bei
jedem Entwürfe gründlich, warum wir das machen, wozu
soll es nützen, damit wir auch stets Rechenschaft ablegen
können über unser Beginnen. Darin liegt das Geheimniss
des Stils. Thun wir das, so müssen unsere Möbel von selbst
originell, deutsch und stilvoll werden und dazu beizutragen,
ist nicht die geringste Aufgabe von erleuchteten Bestellern.
Dass der gute Wille da ist, bezeugen die vielen, aber meist

Abb. 888. Salamander Asbest-Tapete im Karakter des Stils Adams (engl. Empire).

in die Irre verlaufenden Versuche, es fehlt allein das selbst-
ständige Nachdenken. Auch über solche Kleinigkeiten müssen
unsere deutschen Frauen noch nachdenken lernen, den Männern
fehlt oft das richtige Gefühl und die Zeit, über solche intime
Einrichtungs-Angelegenheiten zu entscheiden. Es ist Zeit,
dass wir auch Nutzen ziehen aus dem Studium der unzähligen
 
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