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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Fuchs, Georg: Moderne Restaurations-Räume, [3]: Neuere Restaurationsbauten in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0176

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Seite 146.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

Tradition, auch in den neuen, grösseren Verhältnissen, der
Kunst einen Dienst erwiesen.

Es ist ganz bezeichnend, dass vereinzelte Versuche, die
man auch in München mit dem »Bier-Palaste« im Barock-
oder Renaissance-Stil gemacht hat, sich nicht bewährt haben.
Der Einheimische vermeidet grundsätzlich alle luxuriös aus-
gestattete Restaurants und der Fremde sagt sich: das kann
ich zu Hause in Berlin, Hamburg, Magdeburg gerade so
schön haben, ich will in München eine Münchener Kneipe.

Was ist nun eine Münchener Kneipe? — Unmöglich,
das in einem knappen Aufsatze zu erschöpfen, und noch
unmöglicher, die Entwickelung der modernen Lokale aus
dem alten Typus mit wissenschaftlicher Exaktheit hier dar-

die Qualität seines Bieres und seiner Haxen verlassen, und
wenn die nicht allein genügen das Publikum anzuziehen,
dann ist's eben »gfehlt«. — Im Thorweg stehen einige Klapp-
tische und Bänke von praehistorischer Einfachheit für Pack-
träger, Gemüsehändlerinnen, Pflasterer und sonstige eilige
Kundschaft von der Strasse. Hier befindet sich auch der
Schalter, wo der Schänkkellner an die Dienstmadeln aus dem
Hause und »über d' Strassen« manche schäumende Mass
und »drei Quartein« als Haustrunk verzapft, wobei er sich
bemüht, durch liebenswürdige Gespräche die Gunst der holden
Jungfrauen zu erwerben. Daneben führen einige Stufen
hinauf zur eigentlichen Gaststube. Ueber der Thüre steht
zuweilen noch das Zeichen, welches uns dem Schutze der

Abbildung Nr. 912. Grosser Restaurations-Saal im Cafe Luitpold, München. Architekt Otto Lasne, München.

zulegen. Nur einige Anmerkungen darüber, für welche der
Autor eingehende Studien in den verschiedensten Bierhäusern
unternommen hat, deren »Gründlichkeit« jeweilig davon ab-
hing, ob das Bier gut oder schlecht war.

Der »Eingeborene«, gleichviel ob Hoch oder Niedrig,
ob Künstler, Handwerker, Beamter oder Kaufmann, nimmt
seinen Trunk, und der ist bekanntlich nicht gerade karg
bemessen, je nach der Jahreszeit entweder in seiner Stamm-
kneipe oder auf dem Keller' ein. Er besucht mit dem ihm
eigenen Konservativismus stets dieselben Lokale. Bei schlechter
Witterung die »Beissel«, eine jener zahllosen aus 2—3 Stuben
bestehenden Wirthschaften in den Parterres der Wohnhäuser.
Hier gibt es weder Architektur, noch Kunst, noch Kunst-
gewerbe, denn jede »überflüssige« Verzierung erweckt das
Misstrauen des Stammgastes. Der Wirth soll sich nur auf

Heiligen empfiehlt: C -f M 4- B. In einer Ecke hängt
gewöhnlich eine kleine Mutter Gottes aus Holz geschnitzt,
darunter ein Sträusschen Edelweiss. Der Boden ist mit
weissem Sand bestreut. Das hintere Zimmer ist das »Herren-
Stübl« für die Honoratioren aus der Nachbarschaft, denn das
urwüchsige »einheimische« München ist keine Grossstadt, son-
dern vielmehr eine Häufung von Kleinstädten und sogar Dörfern.

Daran mag es auch liegen, dass dieser eigentlichste
Typus der Münchener Kneipe heute noch ganz so einfach
und genau so primitiv ist wie vor hundert Jahren. Nur
ganz wenige »Beisseln« in den zentralen Lagen haben sich
»entwickelt« ohne ihren Stil zu verlieren, so der »Franciscaner«
an der Dienerstrasse, der »Humpelmaier«, »Abentum«, »Cafe
Heck« in den Arkaden mit seiner uns heute so komisch
erscheinenden »klassicistischen« Dekoration aus der Zeit
 
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