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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Wiener Jubiläums-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0192

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Seite 160.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

Abbild. Nr. 929.* Schmiedeeiserne Beschläge. Entwurf H. E. von Berlepsch.

Ausgeführt von M. Kiefer, München.

das einzige Stück der »Ausstellungsstadt«, welches den allge-
meinen Abbruch im Herbst zu überdauern bestimmt ist, oder
wenigstens an anderer Stelle wieder erstehen soll. Man hat
beschlossen, aus der Urania ein dauerndes Volksbildungs-
institut im populären Sinne zu machen, wie das gleichnamige
Institut in Berlin. Weithin leuchtet das Weiss und Blau und
Gold dieses Gebäudes, mit dem in verschlungenen Arabesken-
linien symbolisch angedeuteten Giebelfeld von Sternbildern
des nächtlichen Himmels. Den Bildschmuck al fresko lieferte
dazu Josef Engelhardt. Baumann hat auch in dem Pavillon
»Bildung« Selbständiges geschaffen. Den spezifisch wiene-
rischen Karakter vertritt vielleicht am deutlichsten der ganz
weisse grosse »Pavillon der Stadt Wien« (Architekt Drexler).

Um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, werfen wir noch
einen flüchtigen Blick auf die Interieurs und die kunstgewerb-
liche Abtheilung. Viel Ertmuliches ist leider nicht darüber
zu vermelden. Ganze Reihenfolgen von Zimmer-Einrichtungen
sind in der Rotunde und den Seitenarkaden zu sehen. So
und so viele Zimmer »Rokoko«, so und so viele »Renaissance«
ermüden — mit geringen Ausnahmen — durch ihre nichts-
sagende Pseudo-Elegance. Es sind Paradestücke für Schreiner
und »Polsterer«-Firmen. Wenn sie noch wenigstens echt
wären und stilrein. Aber auf einen ganz soliden, vornehmen
Renaissancetisch eine versilberte Barockschale mit kolossalen
Ausladungen hinzustellen, so recht auffällig — nein, das geht
wirklich nicht! Viel erfreulicher sind zwei Kojen, eine Schlaf-
und eine Badezimmer-Einrichtung, die in ihrer Art muster-
gültig genannt werden dürfen. Das Schlafzimmer (mit dem
zweischläfigen, eisernen, englischen Bett) ist in grüngebeiztem
Ahorn mit einem leuchtend hellen Gerank von Kirschbäumen
an den Wänden und grossgeblümten Möbelmustern; das Bade-
zimmer ganz in Weiss und Glas, inclusive Badewanne. Die
Firma (Franz X. Schemel & Sohn) verdient erwähnt zu
werden. Sie steht offenbar unter der direkten Einwirkung des

* Aus der Zeitschrift »Deutsche Kunst und Dekoration«, Heft I, 1898(99.
Verlag Alexander Koch, Darmstadt. Einzelpreis des Heftes Mk. 2.—.

rührigen Direktors des Oesterreichischen Museums, des Hof-
raths von Skala, der den englischen Stil in der Wohnungs-
Einrichtung hier durchgesetzt hat. Für die hiesigen Kunst-
handwerker bedeutet das einen grossen Fortschritt in der
Richtung des Zeitgemässen und zum Erproben ihres Auffassungs-
vermögens und ihrer technischen Geschicklichkeit. Als gute
Schule darf dieser englische Stil, obwohl er auf Befehl von
oben eingeführt wurde, vorläufig willkommen geheissen werden.

Zwei Punkte in kunstgewerblicher Hinsicht fielen mir auf
bei meinem Rundgang: das Buchgewerbe und die — Klaviere.
Beide bedürfen dringend der Neubelebung im künstlerischen
Sinne. Von den vielen Büchern, die hier zu sehen sind, lasst
mich schweigen. — Mir fehlt der Muth, auf diese Masse von
verzierten Bucheinbänden hier einzugehen, deren Schmuck im
wesentlichen aus Schablonen und österreichischen Doppeladlern
besteht. — Aber die Klavier-Ausstellung. Wehe dem Un-
glücklichen, der sich in diesen Saal verirrt! Nur zwei Instru-
mente, die durch schlichte Form vornehm abstachen und diese
waren — unverziert. Der Rest ist grauenhaft. Diese rothen
uprights und unzähligen Flügel, mit ihrem erlogenen Schmuck
von Rokokoschnörkelchen, mit ihrer nichtssagenden Metall-
verzienmg! Eine dieser Geschmacksverirrungen trug sogar
eine Tafel, darauf prunkten die Worte »Opus 10,000«. Also
auch ein »Jubiläumsflügel«. Da die Firma anerkannt vorzüg-
liche Instrumente baut, sei ihr Name verschwiegen. Man wolle
mir das längere Verweilen bei dieser Abtheilung nicht verkehrt
auslegen. Der »Klavierpest«, die in Wien wie nur irgendwo
wüthet, soll nicht das Wort geredet werden. Aber Deutschland
und Oesterreich sind die Heimath guter echter Musik. In Wien
sollen sogar die Drehorgeln richtig spielen. Wie merkwürdig,
dass unsere Künstler sich nicht im modernen Sinne energisch
der dekorativen Verschönerung der Klaviere annehmen!
Welche Künstler wären eher dazu berufen, als die deutschen?

Abbild. Nr. 930. * Schmiedeeiserne Beschläge. Entwurf H. E. von Berlepsch.
Ausgeführt von M. Kiefer München.
 
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