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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Dresdner, Albert: Bürgerlicher Hausrath
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0194

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Seite 162.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration

November-Heft.

natürlicher Entwickelung eine grössere Ruhe, Bedächtigkeit
und Stetigkeit der Arbeit an die Stelle des überhasteten
Tempo's und Wettbewerbes treten, zu dem die Künstler jetzt
ja nicht zuletzt durch materielle Nothwendigkeit gedrängt
werden. Wenn aus 1000 Bestellern 10000 und 20000 gewor-
den sind, so hört eben die Möglichkeit, immer etwas »völlig
Neues« zu bieten, von selbst auf; das wüste Draufloserfinden
weicht der sorgsamen und eigenartigen Ausbildung des
Gegebenen, der
Gedanken - Raub-
bau dem inten-
siven Bau. Um
so mehr, als der
ganze Karakter
des heranzu-
ziehenden bürger-
lichen Publikums
die Künstler in
diese Richtung
drängen muss.
Dem Bürger —
ich denke hier
weder an den
trägen Philister,
mit dem wir ja
reich gesegnet
sind, noch an die

hochgebildeten
Bürgerkreise, de-
ren wir uns gott-
lob ja auch in
nicht geringem
Umfange er-
freuen, sondern an
einen anständigen
Mitteltypus, der
theils bereits vor-
handen ist, theils,
wie jeder Kenner
unseres bürger-
lichen Lebens be-
stätigen wird,
recht leicht heran-
zuziehen wäre —
dem Bürger ist
jener Kitzel nach
absoluter Origi-
nalität fremd; er
hat eine natürliche
und gesunde Nei-
gung, sich an den
Brauch und die
Sitten seines Krei-
ses und seines
Ortes zu halten;
er will sein eige-
nes Heim mit eigenem Hausrath, aber er will — das ist
ein echt bürgerlicher Zug — nicht auffallen. So wird er
sich zu launenhaften Erfindungen entschieden ablehnend ver-
halten (wie übrigens auch zu genialen Neuerungen); wohl
aber wird er zugänglich sein für Formen, die aus der sorg-
samen Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse, der ört-
lichen Ueberlieferungen und des örtlichen Geschmackes hervor-
gegangen sind. So stellt sich die Aufgabe, für eine Stadt
oder einen eine Einheit bildenden Bezirk einen Typus zu

Abbildung Nummer 931. Treppenhaus in einem Privat-Hause zu Düsseldorf.

Architekten Kayscr Sc von Grossheim, Berlin.

finden, in dessen Ausbildung zur höchsten Vollendung und
zur höchsten denkbaren Mannigfaltigkeit den Künstlern ein
reiches und fruchtbares Arbeitsfeld sich bietet. Die gewisse
Beschränktheit der bürgerlichen Verhältnisse leistet eben von
vornherein Bürgschaft für die erste und wichtigste Voraus-
setzung einer gesunden Stilbildung: sie bürgt für die Begren-
zung, für die Abschneidung des Masslosen und Zerfahrenen;
sie sichert das konservative Element, das einer fruchtbaren

Kunst-Thätigkeit
erst Halt und
Boden gibt. Un-
sere dekorative
Kunst hat bisher
viel zu viel unter
allgemeinen, va-
gen oder unter
idealen Beding-
ungen gearbeitet.
Entweder fertigte
der Künstler ein
Möbel ohne be-
stimmte Bestel-
lung; dann dachte
er bei der Arbeit
auch gewöhnlich
nicht an be-
stimmte reale Be-
dingungen , be-
stimmte Räume,
Menschen, prak-
tische Bedürf-
nisse , und es
entstand so ein
schönes Ausstel-
lungsstück , das
mit dem Leben
und seinen Anfor-
derungen oft in
recht bescheide-
ner Beziehung
stand. Oder der
Besteller war ein
reicher Mann,
dessen grosse
Wohnräume und
ganze Einrich-
tung dem Künst-
ler eine sehr weite
Freiheit Hessen
und ihn nur wenig
an bestimmte For-
derungen und
Rücksichten ban-
den. Die Künstler
pflegen dieseFrei-
heit zu lieben und

es ist begreiflich, dass sie es thun; aber sie mögen sich ver-
sichert halten, dass sie ein Danaergeschenk ist, das schliesslich
ihnen und ihrem Schaffen selbst zum Unheile ausschlägt. Bei
einem bürgerlichen Publikum stehen die Dinge ganz anders.
Da vereinigen sich ökonomische Rücksichten mit einer gewissen
Begrenztheit des Geschmackes und der Gewohnheit und mit
dem bescheidenen Karakter der auszustattenden Räume, die
ja in der ungeheueren Mehrzahl der Fälle Miethsräume und
also vom Bewohner gegeben vorgefunden sind, — dies ver-
 
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