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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 9.1898

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Englische Gewerbe-Künstler neuesten Stiles, [1]: C. J. A. Voysey, C. R. Ashbee, M. H. Baillie Scott
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https://doi.org/10.11588/diglit.7396#0218

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Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 183.

mit Weiss, sehr viel nach, und dann mit lustigen, frischen
Tapeten, Stoffen, Cretonne's, in deren Dessins er seine Meister-
schaft entwickelt. — Er ist vielleicht der beste Tapetenzeichner,

Abbildung Nummer 960. Teppich. Entwurf C. J. A. Voysey.
Ausführung lomkinson & Adam, Kidderminster.

den England eben hat. Er vereinigt in seinen Mustern die
richtig verstandene Tendenz des Japonismus mit den von
Morris ausgegangenen ästhetischen Anregungen. Thiere und
Blumen der Heimath liefern ihm die Motive. Er beschränkt
sich nicht nur auf eine lineare Ornamentation, sondern gibt
auch den Karakter des Thieres, z. B. der Ente, der Drossel,
eines Zugvögelschwarmes und der Pflanze mit an. Bei einem
anderen, namentlich bei einem, der von der Malerei zur
Flächen-Dekoration kam, würde dieses Verfahren, wie wir
so oft konstatiren können, zu einer tadelnswerthen Naturalistik
verleiten, die mehr auf eine stilisirte Darstellung als auf eine
rhythmische Flächen-Erfüllung hinausliefe. Bei Voysey aber
bleibt der rhythmische Zug der Linien stets die Hauptsache,
und dass sich demselben die als solche erkennbaren Formen
von Thieren und Gewächsen anschmiegen, entspricht der
naiven Freude des Künstlers an der einfachen Naturerschei-
nung, nicht seiner Absicht, durch Bilder Zierrathe konstruiren
zu wollen.

Die Möbel Voysey's sind als geschmackvoll durchgeführte
Nutzgeräthe auf's höchste zu loben, als Kunstwerke dagegen
oft sehr diskutabel. Die Kunst fehlt oft ganz; nicht in dem
Sinne, dass eine reichere Ausbildung von Schmuckmotiven
vermisst würde: die wäre nicht nöthig, sondern dass auch
selbstverständliche, nächstliegende Anlässe zu künstlerischen
Lösungen allereinfachster Art übersehen werden. Dadurch
wirken seine Möbel zuweilen sehr nüchtern. Er scheint das
selbst zu bemerken, und versucht es dann, durch Säulchen
oder Bildchen in Holzeinlage oder durch nicht gerade glück-
liche Beschläge abzuhelfen. Das ist natürlich erst recht nicht
der richtige Weg. Wie Ashbee, so dürfte auch Voysey im
Möbelbau noch nicht sein letztes Wort gesprochen haben.

Damit den Künstler nicht der Schein eines Tadels treffe,
den er nicht verdient, bemerken wir, dass es mit der Erfin-
dung und Ausgestaltung eigentlicher Kunst-Möbel eine ganz
eigene Sache ist. Dazu muss zunächst einmal Gelegenheit
gegeben werden, etwa durch die Ausmöblirung eines Palastes
oder sonst repräsentativen Gebäudes. Wir müssen uns doch
klar darüber sein, dass die hoch künstlerischen Prunkstücke,
welche wir in Museen aufheben, fast alle Palästen und ähn-
lichen grossartigen Anlagen entstammen. Ein Auftrag dieses
Karakters ist Voysey noch nicht geworden. Die künstlerische
Ausgestaltung des bürgerlichen Heimes verlangt aber eine
grundsätzlich andere Art der Kunst-Entfaltung als jene mehr
monumentale Richtung. Um es paradox zu sagen: die Kunst
darf überhaupt nicht entfaltet werden! Sie darf sich nicht
in reich quellender Formengebung erschöpfen, sondern muss
sich verinnerlichen, muss mit einer gewissen Entsagung im
Künstler latent bleiben. Er hat ja nichts zu thun, als dem
Auftraggeber einen brauchbaren Gegenstand zu liefern. Es
muss ihm ganz gleichgültig sein, dass man bisher auch an
den Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs nach alten
prunkvollen Vorbildern massenhaften Schmuck anbrachte.
Damit darf er gar nicht wetteifern wollen. Mit grösster
Sorgfalt und mit feinem Empfinden für die Eigenart des
Hauses und seiner Bewohner gibt er die praktische Lösung,
und die künstlerische Kraft in ihm wirkt gewissermassen
unbewusst mit, indem sie ihn veranlasst, von den möglichen
praktischen Lösungen diejenige zu wählen und zu geben,
welche im betreffenden Karakter als die gefälligste erscheint.
Es scheint uns gerade das Vorbildliche in diesen englischen
Gewerbe-Künstlern zu sein, dass sie mit diesem Verzichte
auf mehr oder minder willkürliche, nachträgliche Schmuck-
Zuthaten, ihre künstlerische Gabe eng verbunden mit der
handwerklich - praktischen Thätigkeit in Wirksamkeit treten
lassen. Das ist der einzige Weg, der zu einer wirklichen
neuzeitlichen Gewerbe-Kunst führt. Der aber geht in ganz
anderer Richtung, als unsere Modernen meistens noch

Abbildung Nummer 961. Teppich. Entwurf C. J. A. Voysey.
Ausführung Jomkinson Sc Adam, Kidderminster.
 
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