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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Van de Velde und die moderne Zimmer-Einrichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0041

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Seite 22.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Februar-Heft.

überall mit der ornamentalen Linie
aus. Ja auch bei dem Fenster
verführt ihn die Tradition nicht,
es als Bild zu behandeln, Es ist,
als ob seine Augen ganz beson-
ders zusammengesetzt sind, wohin
sie blicken in der Natur, sie finden
nur bewegte Form heraus — er
wirft seine Netze nach allen Seiten,
und sein Fang ist immer das Orna-
ment. Van de Velde und mit ihm
Viele auch über sein Vaterland
hinaus, wollen überhaupt von dem
Anklingen der Naturerinnerung
in der schmückenden Kunst nicht
viel wissen. Aber wenn auch der
Naturalismus im Ornament viel-
leicht etwas zu weit gewuchert
hat, und wenn er auch mehr als
eine Vorschule anzusehen ist, in
der Augen, die so lange nur der
Tradition gehorchten, sich für den
kommenden Stil übten, so möchten
wir doch vieles, was aus dieser
Bestrebung hervorgewachsen ist,
nicht missen. — Darum bleibt es

Abbildung Nr. 1002. c. r. ashbee—london. Schmuck-Stücke in Silber mit Steinen u. Email. .

nicht minder wahr, dass die Ent-
haltsamkeit im Schmuck und das
Absehen von naturalistischer Naturnachahmung der Zimmer-
Dekoration sehr wesentlich zu jener Einheitlichkeit verhilft,
die sie zur Stimmungsschafferin macht. Und was ist es
anderes als Stimmung, was wir mit den Worten forderten:
»wir wollen, dass jeder unserer Räume den Zweck ausdrücke,
dem er dienen soll«. Andererseits bereitet auch gerade diese
Zurückhaltung den Schwesterkünsten am wirksamsten die

Resultat für den Raum ist der Eindruck des wohnlich Be-
haglichen , das zugleich die Aufmerksamkeit zusammenhält
und den Blick durch nichts von dem erwählten Buch zur
Höhe und zu anderen Gedanken ablenkt.

Indem Van de Velde sich so der inneren Logik seiner
Zweckgedanken überlässt, ist er ganz ausser Sorge um die
Originalität seines Werkes. Kein Suchen nach noch nie da-
gewesener Form, nach absolut neuem Schmuck. Der Schmuck
spielt überhaupt eine geringe Rolle. Hier vermittelt ein das
Tragen ausdrückende Motiv den Uebergang von Wand zur
Decke und dieses wird dann auch stets bei ähnlichen Gelegen-
heiten im selben Raum wiederholt. Besonders die Möbel
sind von vollendeter Einfachheit, aber diese ist gleich weit
von Nüchternheit wie von plumper Fülle. Das alles sine
Eigenschaften, die solche Zimmer so recht für den Gebrauch
bestimmen. Ich habe noch nichts von Van de Velde gesehen,
das sich unter den Begriff »Salon« bringen Hesse. Dass er
aber sehr wohl festlichen Schwung auszuprägen vermag,
beweist ein anderer in Berlin befindlicher Raum. Dort handelt
es sich um eine grosse Verkaufshalle für Werke der ange-
wandten Kunst jeder Art. Lichte, heitere Farben empfangen
den Eintretenden: Heliotrop und Reseda, dazu ein rosiges
Weiss und naturfarben gebeiztes Eichenholz. Im Hintergrund
führen einige Stufen empor, ein weiter Eingang öffnet sich
und ist in kühnen Linien umschrieben. Der Eindruck des
Geradlinigen soll verdeckt werden. In Schwingungen schmiegt
sich die hölzerne Umrahmung der Wandöffnung an.

Denselben Grundsätzen wie für Innen-Architektur und
Möbel folgt der Künstler bei dem übrigen Detail der Woh-
nungsausstattung: bei Fensterverglasungen, Beleuchtungs-
körpern. Jedes Geräth ist in Zusammenhang und für den
bestimmten Raum erdacht, und man begegnet ihm nur an
dieser Stelle. Und das alles ohne Zuhülfenahme irgend eines
naturalistischen Elements, ohne bildmässigen Schmuck, wie
er in der angewandten Kunst sonst heute ein so breites Feld
einnimmt. Ob er ein Tapetenmuster zeichnet, oder einen
Wandfries mit Schablonenmalerei dekoriren lässt, er kommt

Abbildung Nr. 1003. c. r. ashbee—london. Halskette mit Email u. Perlen.
 
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