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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Van de Velde und die moderne Zimmer-Einrichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0042

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Februar-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 23.

Wege, wenn sie geruhen wollen,
uns in unserem Heim aufzusuchen.
Das Bild, das Skulpturwerk, wird
doppelt wirken in einer Umgebung,
in der kein Spiel mit Naturformen
ihr als Nebenbuhler in den Weg
tritt. Dem Gemälde ist der will-
kommenste Hintergrund die einfach
farbige Wand, wem kein Bild das
Zimmer schmückt, dem mag ein
blumiges Tapetenmuster ein Ersatz
sein, und sofern es nur nicht auf-
dringlich wirkt, soll keine Autorität
es ihm zu verleiden sich abmühen.

Den jungen deutschen Bestre-
bungen für Schaffung einer indivi-
duellen und national bestimmten
Wohnungs-Einrichtung ist hier ein
Vorbild gegeben, wie man zu
gleicher Zeit einfach, kräftig und
trotzdem anmuthig sein kann. Alp.

Zu vorstehendem Aufsatz. Ueber
den heute so häufig genannten
Brüsseler Architekten Van de Velde

gehen die Meinungen derart aus- Abbildung Nr. 1004. c. r. ashbke—london. Schmuck-Stücke in Silber mit Steinen.

einander, dass es ordentlich wohl-
thuend berührt, in obigen Ausfüh-
rungen einer objektiv abwägenden Würdigung des künstle- fast ein Grauen vor der psychologischen Tiefe dieser angeb-
rischen Wirkens Van de Velde's als Architekt des inneren lieh einzig dastehenden Künstler-Individualität. Mit solcher
Ausbaues zu begegnen. Ein Theil der Fachpresse ergoss Splitter-Spalterei schadet der gute Freund, der sich in dem
unglaubliche Lobeshymnen, gespickt mit geradezu gesuchten Hervorkramen und Aufbauschen geringfügiger Nebendinge
Beweisführungen über die Logik und Berechtigung Van de einen riesigen Anstrich von Gelehrtheit gibt, nur dem damit
Velde'scher Möbelformen und dekorativer Linien. Man empfand von ihm misshandelten Künstler. Echtes Künstlertum muss

sich gegen derartige banale Phrasen abwehrend verhalten.
Nun ist ausserdem das Schaffen Van de Velde's ein so ver-
ständliches, abgeklärtes, wir möchten fast sagen nüchtern-
praktisches, dass man eigentlich nur seinen Semper erfasst
zu haben braucht, um jenen zu verstehen. — Wie kein anderer
steht Van de Velde mit beiden Füssen auf dem Boden
moderner Technik und Ingenieur-Kunst — hier liegt auch
der Schwerpunkt der heutigen belgischen Kunst, die mehr
von den eigenthümlichen Konstruktionen des Eisenbahn-
Materials profitirt hat als irgend eine andere. Aus allen
Möbeln und Holzarbeiten des genannten belgischen Archi-
tekten spricht mehr der Stellmacher und Zimmermann als der
Schreiner und Holzschnitzer. Brückenjoche, Tunnel-Wölbungen
und Waggon-Querschnitte sind beliebte Grundmotive bei ihm
für Raumbegriffe und Wand- und Decken-Lösungen. Von
Van de Velde'scher Kunst kann man in der That sagen, sie
ist der Zeitströmung und speziell dem Weltverkehr ent-
wachsen. Dass uns Deutschen nicht alles gefallen kann, was
diesem Schaffen entspringt, ist begreiflich; denn manches
muthet uns doch zu fremd, zu gewaltsam an, weil sich das
Ergebniss nicht immer in unsere Auffassung und unsere
Gewohnheiten einreihen lässt. Was Van de Velde von dem
Holz als Material verlangt, ist durchaus nicht verwerflich, denn
wie oben angedeutet, haben wir in anderen Gewerben etwas
durchaus Verwandtes. Es bleibt sich schliesslich gleich, ob
ich ein Stück Buchen- oder Birkenholz zu einem Wagengestell
oder zu einem Möbel verarbeite; etwas anderes ist es dagegen,
wenn ich Zweckformen aus dem anderen Gebiete herüber-
nehme, die hier aus zwingenden Gründen gebogen sein müssen,
während sie für ihre neue Bestimmung besser gerade gearbeitet
würden. Das ist es auch, was der ernst zu nehmenden Kritik
Abbildg. Nr. 1005. c. r. ashbee—London. Halskette mit Email u. Perlen. zu mancherlei Aussetzungen Anlass gab. Die Redaktion.
 
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