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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Ebe, Georg: Das Historische Erbe der Architektur und die "Moderne", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0135

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Seite ioo.

Illustr. Kunstgewerbe. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

unbedingten Befolgung vorgeschrieben werden, obgleich über
diesen Gesetzen, welche zugleich die Vorurtheile einer Zeit
wiederspiegeln, ein für alle Zeiten gültiges und ewiges Natur-
recht steht. Wie dieses im Sittlichen herrscht, so muss es
auch auf dem Gebiete der Kunst ein Allgemeingültiges geben,
das sich in der ganzen Kette der Entwickelung durch alle

sich das schöpferische seelische Prinzip nur mittelst der den
Naturgesetzen, vornehmlich der Schwerkraft, unterworfenen
Stoffen bethätigen, und findet in dieser Bedingung eine scharfe
Grenze für das Ueberquellen der frei schweifenden Fantasie.
Die Umschliessung des einfachen oder mehrgegliederten
Raumes durch Decken und Wände, welche nach festen kon-

stilistischen Abänderungen hindurch erkennbar hinzieht. Aller- I struktiven Regeln erfolgt, und die entsprechende Gestaltung
dings gibt es eine zwingende Ursache, welche abweichende | des Aeusseren bezeichnen die Aufgabe der Baukunst, aber
Lösungen für denselben Baugedanken hervorrufen muss; es erst durch das Hinzutreten eines idealen Prinzips, durch die
ist dies die schon Ueberwindung der
mehrfach berührte gemeinen Zweck-
verschiedenartige DEHk mässigkeit der Kon-
Beanlagung in der struktion und des
Kirnst-Fantasie der Raum - Bedürfnisses
Völker. Nähme die- entsteht das Kunst-
selbe bei allen Na- werk. Die natür-
tionen dieselbe Rieh- liehe oder künstliche
tung, so müssten alle Höhle, die aus Baum-
für denselben Zweck zweigen aus über-
bestimmten Bauge- einander geschichte-
bilde den gleichen ten Stämmen oder
oder mindestens ähn- aus rohen Stein-
lichen Ausdruck fin- mauern mit ebenso
den; das ist aber roher Decke herge-
nicht der Fall wie stellte Hütte bilden
die Betrachtung der zwararchitektonische
Denkmäler zeigt Aus Räume, aber sie sind
demselben Grunde nicht als künstle-
wird die Befolgung rische Erfindungen
der allgemein gül- zu betrachten. Bei
tigen Gesetze keines- jeder künstlerischen
wegs eine im kosmo- Komposition fragt
politischen Sinne ver- man: wozu hat sie
flachte Kunst hervor- .. der Künstler kompo-
bringen, so lange es nirt, was war dabei
noch irgend nationale • . ... seine Idee, und wie
auf Sprache und Sitte HtQfl^H ^BBHs * jj'" . hält Theile
beruhende Volks- - ■ . i seines Werkes zu-
unterschiede gibt. IflUHtf^v^l^K sammen? Das Schöne
Zwar stehen die mo- B^^^lSfli^^BH u'(' ^as Hässliche
dernen europäischen rX . ffk| c «Lp Wt liegen allein im Be-
und die von diesen ^'^^^fl^^BI^BB xlB^^b reiche der Idee, beide
ausgegangenen über- , - ^ J^^5fl^ll [HB ■ ^A^RH^^^^te^ Eigenschaften haben
seeischen Völker in Ljfljflfi | ':j^M I W^L \ ^fcf^ ausser uns keine
ihrem Geistesleben ,.- •'wä^^* JiIbU BlB ^EfllB Realität, sondern
nicht so weit von- B H •, hängen von der in-
einander ab, wie ehe- B^BJHBH^ ''dividuellen Vorstel-
mals die alten, viel- Hr/ll hi lungsart ab und
mehr sind jene auf unterliegen deshalb
demselben Kultur- verschiedenen Auf-
boden erwachsen und Abbildung Nr. 1120. Bade-Zimmer in der Villa Fritzsche in Leipzig- Gohlis. faSSUngen. Ein Watl-

g-ehen in fortwährend , .. . „ _ . ,„ . res Kunstwerk muss

o Architekt Hans Friedel in München.

wachsendem Aus- den Beschauer in die

tausch der Ideen Stimmung versetzen,

nebeneinander her; selbst der im letzten Viertel unseres Jahr- welche der Urheber selbst empfand und wieder in Anderen
hunderts lebhafter als je emporlodernde Nationalitätenhass I durch sein Geschaffenes hervorrufen wollte. Das Gegentheil

finden wir in den frühen, oft technisch hochvollendeten Bau-
werken der Aegypter, welche keine Absicht verrathen, auf
die Stimmung des Beschauers zu wirken und eben deswegen
keine Kunstwerke sind. Dasselbe lässt sich von den modernen
reinen Nützlichkeitsbauten sagen, so imponirend dieselben
auch sonst durch ihre Massenhaftigkeit wirken mögen.

Das bauliche Kunstwerk ist, wie schon weiter oben gesagt,
der einfache und allgemein gültige Ausdruck einer Idee,

kann an der immer enger werdenden Wechselwirkung nichts
ändern; aber immerhin wird der Künstler aus den ange-
stammten Eigenthümlichkeiten seines Volkes, wie Antäos aus
der Berührung mit der äusserlichen Erde die beste Kraft schöpfen.

Nachdem im allgemeinen, für alle Kunstzweige gültig,
nachgewiesen wurde, dass der Einzelne gewissermassen ge-
zwungen ist, unbewusst dem Gesammtwillen zu folgen, kommen
wir auf die Erörterung der besonderen Erfordernisse, welche
allein für die Baukunst massgebend sind. In dieser kann | welche durch eine Raumbildung verkörpert wird. (Schiu«s folgt.)
 
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