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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Mielke, Robert: Über Intime Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0243

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Seite 186.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

sich von vornherein gewisser
Formen bedienen, die durch
die Ueberlieferung eine be^
stimmte Uniaufsprägung er-
halten haben. Verliert sie
diese, so steigert sie sich zur
Monumentalität und entfernt
sich damit immer weiter von
dem Intimen. Wir sehen,
dass das letztere etwas Selbst-
ständiges ist, das in der Be-
werthung auf künstlerische
Wirkung auf derselben Stufe
wie jene steht, aber von an-
derem Ursprünge ist. Nie-
mand wird ein Rathhaus
einen Dom bau oder ein Denk-
mal als intime Kunst be-
zeichnen; doch möchte ich

Abbildung Nummer 1236. Wandtäfelung mit Bank. J. M. Aiken, London. diesen rohen Gegenbegriff

hier festhalten, weil er in
seiner packenden Schroffheit

zu verdecken. Theils nicht verstanden, theils mit bewusstem die Wesenszüge intimer Kunst hervortreten lässt. Also nicht
Unterschieben einseitiger Tendenzen ging der ursprüngliche die Kunst der breiten Oeffentlichkeit, sondern der intimen
Sinn häufig verloren und es ist darum vielleicht nicht unzeit- • privaten Neigungen ist hier im Auge zu behalten, die ein
gemäss, den alten Sinn wieder herzustellen. j enges Verhältniss zwischen Gegenstand und Besitzer, zwischen

Was ist eigentlich eine »intime Kunst« ? Blicken wir j Kunst und Geniessenden voraussetzt. Erkennt man dies an,
auf die vielfachen Wandlungen des Geschmacks in den letzten so tritt auch der gewaltige Fortschritt in den Vordergrund,
Jahrzehnten zurück, dann scheint es fast, als ob sich die ! der die persönliche Kunstanschauung auf ein Niveau hebt,
aneinanderreihende Kette von durchgreifenden Aenderungen ' den die öffentliche Kunst nicht in diesem Maasse beansprucht,
der äusseren Form immer mehr von den einengenden Fesseln j Ja ich stehe nicht an, für diese letztere den Ausdruck »Ver-

ihrer stilistischen Vergangenheit lösen würde. Das bedeutet
aber im Wesentlichen eine Erstarkung des persönlichen Ge-
schmackes, der sich bisher nur schüchtern hervorgewagt hatte
und auch nur von starken künstlerischen Persönlichkeiten
getragen werden konnte. Nicht immer sind wir imstande,
dieses Neue in grobsinnlicher Deutlichkeit zu umgrenzen, das
wie der Duft einer Blüthe uns umfängt, und das wir in
unserer sprachlichen Hülflosigkeit wohl auch lediglich als
»modern« beanspruchen. Ob und wie weit diese letztere
Bezeichnung berechtigt ist, wird sich noch im Folgenden
ergeben; hier sei zunächst nur hervorgehoben, dass diese neue
Kunst auf demselben Gebiete geblieben ist, auf dem sie
anfangs erstarkte. Es sind vornehmlich Blätter von der Art
des »Pan«, der »Deutseben Kunst und Dekoration«, »Ver
sacrum« u. a. wenige und dann die Reihe künstlerischer
Grossthaten auf dem modernen Kunstgebiet, das ich als
Hauskunst ansprechen möchte, wenn es nicht noch zunächst
auf geringe Kreise beschränkt bliebe, das aber in den Interieurs
Van de Velde's, Berlepsch 's, in den Entwürfen Chris tiansen's
u. a. vertreten ist. Wir sehen also, dass eine Volksthümlich-
keit dieser durchaus intimen Kunst noch in weitem Felde
steht, ja vielleicht ganz ausgeschlossen sein würde, wenn das
Gemeinsame dieser Kunst nicht doch noch Beziehungen auf-
weisen würde, die sie auf eine breitere Grundlage stellte.
Nahegelegt werden diese Beziehungen schon durch den Ver-
zicht auf anspruchsvollere Anwendung bei Denkmälern, Bauten
grossen Stils, bei den Paradeflächen sogenannter Kunstaus-
stellungen, kurz, bei der hervortretenden Neigung unserer
wirklichen Künstler, sich dem Täglichen, der Kleinkunst zu-
zuwenden und damit wenigstens anzudeuten, dass das Wesent-
liche dieser Kunst in dem Hause zu suchen ist.

Ihr gegenüber steht die Kunst der Oeffentlichkeit, die
in dem Grade dem Intimen fern ist, in dem sie sich an eine
grössere Anzahl von Kunstbegehrenden wendet. Diese muss

kehrskunst« anzuwenden, ein zwar brutales, aber gewiss nicht
misszuverstehendes Wort. Ein grosser Theil unseres gesammten
Kunstschaffens, auch der dem Innenraum zugewiesenen Klein-
kunst, wendet sich an Kunstbegehrende, die in ihrer Zusammen-
setzung fortwährend wechseln, also auch in den Kunstbedürf-
nissen einem dauernden Wechsel unterworfen sind. Dass hier
alle Vorzüge individueller Geschmacksrichtung sich nicht ver-
drängen können, liegt auf der Hand, und dass dadurch auch

Abbildung Nr. 1237. Kleiderschrank-Entwurf. S. R. Turner, London.
 
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