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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 10.1899

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Mielke, Robert: Über Intime Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7397#0244

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Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 187.

SB.

privat

WRITiriOTABLE

wachsen, dass die sich jagenden Stil-
wandlungen eine nothwendige Be-
gleiterscheinung des Kunstlebens
wären. Der Künstler konnte dies
überwinden, der Laie nicht, da bei
ihm das Auslösen einer innerlichen
Empfindung zu einer Kunstäusserung
in eine Form gedrängt wurde, die
eine strenge stilistische und berufliche
Gebundenheit bevorzugte, die mit
anderen Worten nicht die leben-
athmende, lebenverheissende Kunst
sah, sondern nur die Form, das
Aeusserliche — die Mode. Nur da,
wo eine berufliche Ueberlegenheit
noch nicht vorhanden war, z. B. in
der Photographie und dem Blumen-
kultus, wagte sich das Kunsturtheil
und -Empfinden des Laien hervor
und brachte dabei eine neue wage-
muthige Formdisposition unbewusst
mit, die, auf rein persönlichen Be-
Abbildung Nr. 1238. Entwurf: Fensterparthie eines Studir-Zimmers. G. M. Er.i.WOOl), London. Ziehungen fussend, auch einen Drang

nach persönlichem Ausdrnck besass
und damit auch die berufliche Kunst

die Kunst selbst eine allgemein verständliche Grundlage erhalten kann, i beeinflusste. Denn umgekehrt strebte ja der
beweisen die Werke derselben in den der Oeffentlichkeit gewidmeten i Künstler selbst von der Unnahbarkeit seiner
Formen, in den Wartesälen, Wagenabtheilen, Strassenbildern, Sammlungs- j beruflichen Enge zu der weitesten Anwendung
räumen, Rathhäusern, selbst den Kirchen und bei den Denkmälern. Schon
dass hier ein grosser Theil von der Kunstindustrie, um diesen an und für
sich widerspruchsvollen Namen anzuwenden, geschaffen wird, bezeugt, dass
wir es mit einer Aeusserung moderner Verhältnisse zu thun haben, die
persönliche Beziehungen, wie sie das Heim, die Wohnung nahelegen,
nicht aufkommen lassen.

In dieser Zweitheilung des Kunstschaffens ist schon angedeutet, dass
das Wesen einer »intimen Kunst« eigentlich zu den altüberkommenen
Requisiten der Kunstwirkung gehört, dass eigentlich ihr Gegenbegriff das
Neue, Moderne ist, welches in einem früher nicht gekannten Umfange auf
Anerkennung dringt. Mit dieser Auslegung des Begriffes und seiner
gesteigerten Werthschätzung in der Gegenwart lässt sich aber trotz aller
Anlehnung an einstige Verhältnisse weiter folgern, dass »intime« Kunst
nicht eine vorübergehende Zeitwandlung ist, sondern als tieferer Drang in
unseren Kunstneigungen aufquillt. Sie braucht in diesem Sinne ihr Gegen-
wartsgesicht nicht zu verbergen, denn gerade in dem Vorschieben des
alten Werthes steckt doch ein Neues und Werdenwollendes, welches ein
Langentbehrtes, Heissersehntes uns verheisst: eine wirkliche Kunst des
Einzelnen, des Hauses und weiterhin des Volkes. Um dies zu verstehen,
müssen wir zunächst suchen, das Gemeinsame und Verbindende dieses
Dranges zu dem Intimen im Alten und Neuen zu erkennen.

Zunächst macht sich in dem Betonen des Begriffes eine Gegenströmung
gegen jene allzu äusserliche Kunst geltend, welche sich immer mehr auf
den Sachwerth zurückzog und ein persönliches Kunstbedürfniss, ein Vor-
walten des Einzelgeschmacks nicht ungetrübt zuliess, wie es überhaupt
die Herrschaft bestimmter Kunstvorstellungen begünstigte. Wir wissen
ja, dass mit der Schöpfung unseres modernen Kunstgewerbes die Tendenz
aufwuchs, das Kunstgebiet des Hauses oder besser des Einzelnen von dem
Gewerbe selbst abhängig zu machen und in dem Dilettantismus nur eine
Art zeittodtschlagenden Spieles zu erkennen. Berufskünstler sind ja die
Träger unserer neuzeitlichen Bestrebungen gewesen, zu denen auch der
Nichtkünstler gern aufblickte, um seine eigene Leistungen abzuschätzen.
Das wäre an und für sich nicht gefährlich, wenn nicht die Künstler selbst
in bestimmten Vorurtheilen befangen gewesen wären, die sie heute erst
beginnen abzustreifen. Indem sie zunächst Anschluss an die Vergangenheit
suchten und dann von Stil zu Stil bis zur Gegenwart sich innerhalb weniger

Jahrzehnte zurücktasteten, Hessen sie unwillkürlich die Vorstellung auf- Abbild.Kr. 1239. Möbel-Entwürfe. G. M. Ej.lwood, London.

SKETCH-
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