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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

DOI Artikel:
Haushofer, Max: Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie, [2]
DOI Artikel:
Paul, Richard: Rom: Vortrag am 4. Dez. 1883
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0100

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Seit an die Stelle des bürgerlichen Mittelstandes zum
Theil ein Arbeiterproletariat getreten ist, hat dasselbe auch
seine eigene Poesie mitgebracht. In ihr tritt freilich die
Arbeit wieder scharf in den Vordergrund. Aber wie!

In dieser neuesten Arbeiterpoesie ist nichts mehr von
jenem fröhlichen und harmlosen Humor, der das alte Volks-
lied durchweht. Düster grollende Leidenschaft, bitterer Spott
sind ihr Grundzug. Es ist die Poesie der Sozialdemokratie,
oder vielmehr die freudlosen Versuche des nach Emanzipation
ringenden vierten Standes, seine Klagen und Kämpfe in
eine poetische Form zu bringen. Wenige Proben davon
genügen. In Most's Proletarier-Liederbuch heißt es:
was nützet uns Bildung, Gesittung und Kunst?
wir können uns dessen nicht freuen!

Für uns ist das Alles nur eitler Dunst,

Und die Reichen nur, die sind die Freien!

In demselben Liederbuch wird den Besitzlosen zuge-
rufen:

Drum, Tausende, die ihr heimlich grollt,

Kein Flennen Hilst, auch kein Alagen!

Uud wenn ihr was Rechtes ersparen wollt,

Müßt euren Groll ihr Zusammentragen I

Sozialdemokratische Mütter lehrten ihre Kinder beten:
Ich bin klein, inein Her; ist rein,

Soll Niemand drin wohnen,

Als Lassalle allein I

In der sozialdemokratischen Zeitschrift „Braunschweiger
Volksfreund" (\872, Nr. 228) findet sich folgendes Gedicht:
Ja ja, mein Freundchen Bourgeois,

Das Unheil ist Dir immer nah'!

Denk' nur, wenn einst, wie die, geschaart,

Der Zweck sich zum vergnügen paart,

Des ganzen Volkes ganze Kraft
Sich Bahn durch eure Rotten schafft:

Dann schickt man euch, just wie verhext,

Ins Land, wo guter Pfeffer wächst.

Du dauerst mich, Du armer wicht.

Doch siehst Du ein, 's ist unsre Pflicht,

Auf Weltverschönerung zu seh'n
Und nach Laternenschmuck zu sxäh'n;

Und wenn das Proletarierheer

Mit Schwert und Spieß bewaffnet war',

Dann könnt' es jenen stolzen lsöh'n
Der Freiheit kühn entgegengeh'n

So die sozialdemokratische Presse.

Durch ihre Lieder athmet ein hauch, aber es ist nicht
der krauch der Poesie. Poesie will erfreuen und erheben;
solche Ergüsse aber widerhallen nur von den verstimmtesten
Saiten des menschlichen Herzens.

Wir können mit diesen: Mißton nicht schließen. Wenn
man sieht, daß durch den Gang der volkswirthschaftlichen
Entwickelung das Erwerbsleben ininler prosaischer wird,
so finden wir doch anderwärts einen Trost dafür.

Einerseits trifft der prosaische hauch des modernen
Arbeitslebens ziemlich gleichmäßig alle Berufszweige. Die
Arbeit des Staatsministers oder des Bankdirektors ist um
nichts poetischer, als die des Maurers oder des Schuh-
machers. Die Einen wie die Anderen müssen sich ihren
Lebensbedarf an Poesie außerhalb ihrer Berufsthätigkeit
suchen.

Andererseits ist es aber auch dem ärmsten, geplagtesten
Arbeiter — wenn er nur den guten Willen dazu hat —
heutzutage nicht schwierig, an dem Geistesleben der ganzen
Nation seinen vollen Antheil zu nehmen, einen größeren
Antheil als je vorher. Seine Phantasie kann alle Anreg-
ungen empfangen, die von den edelsten Geistern der Nation
ausgehen und ausgegangen sind. In jedem Menschen muß,
wenn er die Freude am Leben behalten soll, ein Schatz von
Idealen sein, der ihn tröstet und erhebt, wenn er arbeits-
müde Haupt und Hand sinken läßt.

Diese Ideale sind aber nicht Austern und Thampagner,
nicht Brillantschmuck und Equipage. Es kann den: Arbeiter
nicht oft genug gesagt werden, daß unter allen Genüssen,
deren sich der hochgebildete Mensch erfreut, ihn: jene die
liebsten sind, welche auch dem Armen erreichbar sind: die
Freude an der Natur, die Freude am Umgänge n:it gleich-
gesinnten Menschen, der Antheil am Geistesleben der Nation,
das Bewußtsein redlicher Pflichterfüllung nach gethaner Ar-
beit, und die Liebe und Treue der Seinigen.

Darin liegt die Poesie des Daseins. Und während der
Arbeit entflieht sie nicht von: Menschen, sondern sie ver-
stummt blos, und schaut ihm lächelnd über die Schulter,
bis er wieder rasten darf.

Rom.

Vortrag am q. Dez. \885, gehalten von Richard Paul.

EIT Jahrtausenden verknüpft die
Menschheit mit dem Worte „Rom"
den Begriff des Majestätischen, des
Erhabenen, des Unvergänglichen.
Nach dieser Stadt sind ihre Blicke
und Gedanken in haß und Bewunderung, in Abscheu und
in Verehrung, in Sehnsucht oder in Erinnerung gerichtet.

Zweimal hat sie das Diaden: der Welt getragen, hat die
Wölfin, das schreckliche Symbol der Tiberstadt, in unersätt-
licher Habgier die Reiche der Erde in ihre höhle geschleppt, so
herrscht noch heute die Macht der Idee, welche in: Vatikan
ihren Wohnsitz genommen, über den größten Theil der uns
bekannten Welt. Neh:nen wir die Bekenner des Buddhis-
n:us, welche sich allerdings beinahe auf die Hälfte der Be-
wohner unseres Planeten, nänllich an 600 Millionen be-
ziffern, als uns noch zu ferne stehend nicht in Betracht, so
ist thatsächlich der Nachfolger Petri der Herr über die weit-
 
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