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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Das Pariser Kunsthandwerk und die Ausstellung "München 1908"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0378

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Das Pariser Aunsthandwerk und die Ausstellung „München \<)08".

839. Wohnzimmer; von Valentin Witt, München; nach Entwurf von Paul Wenz.
Amerikanisches Nußbaumholz.

gültige Schönheit, noch ein Schauspiel von Vollendung;
denn die allgemeine Absicht, alles umzuändern, muß
leider auch Geschmacklosigkeiten Hervorbringen. Aber
in unseren Tagen ein Schauspiel von Betriebsamkeit
ohne gleichen und ein Vorbild von Energie."

* *

*

Zur Zeit des Kongresses der »Union provinciale«
in München traf kjuret mit dem bekannten französi-
schen Holzbildhauer Tarabin, einem der pariser Dele-
gierten, zusammen, der sich niedergeschlagen äußerte:
„„Was wir hier sehen — sagte er mir eines Abends,
mit Tränen in den Augen —- ist eine Niederlage
für die französische Kunst. Die Arbeiten der Schüler
aus den städtischen Gewerbeschulen wären wert, in
unseren jährlichen „Salons" gezeigt zu werden als
Zeugnisse technischen Könnens.""

„„Unsere besten Kunstarbeiter verstehen ihr Hand-
werk nicht besser als diese Lehrlinge. Zch spreche
von unseren Besten, versicherte er, von der Auslese.""

„Nun," sagte ich ihm, „wir haben in Paris
Fachschulen, l’Ecole Boule, l'Ecole . . . ."

Tr unterbrach mich.

„„Ach, mein Herr," seufzte der gute Bildhauer,
„„was sagen Sie da eben? Za, wir haben in Paris
vier Fachschulen: l'Ecole Boule für Möbel, l’Ecole
Estienne für das Buchgewerbe, l'Ecole Bernard-
Palissy für Keramik und l'Ecole Diderot für die
Schmiedekunst, die den Steuerzahler so viel kosten.
Nun, wissen Sie, daß wir uns anläßlich der dekora-
tiven Ausstellung des Museums Oalliera — ich
war Zurymitglied — fragen, ob wir nicht alle
Sendungen aus diesen Schulen in Bausch und Bogen
ablehnen sollten? Das war bedauerlich und zum
Meinen.""

* *

*

„Diese Ausstellung in München ist in der Tat der
Triumph Tarabins, die unzweideutige Bestätigung
der Wahrheit seiner Theorien und das verdrießliche
Gelingen, das einen Strich durch sein Apostelamt
machte. Dieser Mann, dessen persönliches Genie
eine neue Kunst hervorgebracht hat, der die Bild-
hauerkunst wie sein eigenes Leben liebt, sieht in
einem fremden Lande verwirklicht, was er für sein
Land gewünscht hätte, und er seufzt und er beklagt sich

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