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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 1.1866

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Heft 19 (15. September)
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4905#0123

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kräfte entsprechend der Harmonie der umgebenden Farben-
töne übt eine zauberhafte Anziehungskraft und erregt so
zusammenklingende Saiten unseres Gemüthes, wie wir es
nur von cinem wirklichen Kunstwerk erwarten könuen,
dessen Norm und Kern die schöne Natnr ist. Mehr
geistige Bewegung zeigt seine „Schachpartieder
Ausdruck der Köpfe ist ebenso abgewogen, wie ihre Formen
ansprechend, und Anordnuug und Ausführnng der Gruppe
und der Umgebung ist ihrer werth. Kraus' Hauptwerk
aber in dieser Sammlung, ueben dem sich überhaupt nur
wenige s einer Sachen halten, ist „ derBürgermeisterSix
bei Rembrandt." Uebcr den Skizzenbüchern beschäftigt
sind die Freunde in ein eifriges Gespräch über eine kleine
Modellfigur gekommen, die jeder mit einer Hand berührt. -
Mit überaus sprechender Handbewegung demonstrirt der ^
Künstler dem Frennde seine Ansichten; dieser horcht auf-
merksam und verständnißvoll zn. Das Zimmer ist reich
und echt künstlerisch ausgestattet. Zu der eminenten Fein- !
heit der Charakteristik, die den Beschaner in seiner Ein
bildungskraft Ohrenzcuge des Gesprächs zu sein glauben
läßt, gesellt sich eine koloristische Meisterschaft, die zum
Staunen ist. Der Ton des Bildes ist sehr dunkel genommen, !
und aus diesem Dunkcl sind die wenigen Glanzlichter, die !
eine scharf einfallendeBeleuchtung entstehen läßt,s o wirkungs-
voll herausgearbeitet, daß, ohne die tiefe Haltung zu alte-
riren, eine förmliche Blendung cntsteht. Für mich ist auch
in koloristischer Beziehung dies Bild Kraus' Meisterstück.
Demjenigen, dem dieser Effekt so gelang, ist in der Knnst
des koloristischen Reizes Nichts mehr Geheimniß ; nnd !
diejenigcn, die seine „venezianische Parkscene" jüngst bei !
Lepkc gesehen haben, werden gern gestehen, daß er uacb !
dieser Seite auf derHöhe steht. — Pcttenkofen's kolo-
ristische Bravour, seine nnvergleichliche Virtnosität, alle
Farbenabstnfnngen in einen graucn Lokalton hineinzuar-
beiten, wie ja alle Farben znsammcngcrührt oder durch
schnelle Bewegung dem Angc einzeln entzogen gran er-
scheinen, ist bekannt. Wir haben nicht zu hänfig Gelegen
heit, ihn kennen zn lcrnen; nm so erfreulicher ist cs. daß
sein „Kornmarkt" ihn hier zur Bervollfländignng des
Bildes vertritt. - Jhm sehr vcrwandt in der Art und
Wirkung der koloristischcn Behandlnng zeigt sich in einem
zienilich großen Bilde, „ der Iahrmarkt", Hogne t. Auch
das Figürliche steht nicht zurück, namentlich in einigen
Thiergruppen. — Nicht hierher, sondern zur folgenden
Grnppe müßte ich einen Künstler rechnen, der erst seit !
Kurzem, aber mit überraschendem Glücke, der Genre-
malerei angehört, den früheren Landschaftsmaler W. Rief
stahl, wenn nicht seine Komposition durchaus den Cha-
rakter zufälliger Gruppirung an sich trüge, während seinc
Farbe ihm in diescr Reihe einen Rang anweist. Er malt
Scenen aus dem Passeyrcr-Thale, die er in freier Natur, !
im großartigen Hochgebirge vorgehen läßt. Anfangs ver-
stand er nicht recht, die bciden Elementc, das ihm bisher

geläufigere, jetzt untergeordnete Landschaftliche, und das
ihm neue, aber nun dominirende Figürliche mit einander
zu durchdringen, doch gelingt ihm dies sichtlich immer
besser, in dem hier gesehenen „vor der Taufe" schon
recht gnt. Gerade aber in dem figürlichen Theil seiner
Schilderungen dokumentirt sich ein so gesunder, krästiger
und frischer Sinn für die Farbe, haß nach voller gegen-
seitiger Durchdringung der jetzt noch etwas unversöhnten
Seiten seiner Darstellungen sehr viel Schönes zu erwarten
steht.

Einen Änhang zu den Meistern des Kolorits bilden
diejcnigen, welche in fleißigster und glücklichster Ausfüh-
rung aller Details und mit mehr oder weniger koloristi-
scher Finessc das individnellste Leben der Einzelgestalt in
nnscheinbarem Formate znr Erscheinung bringen. So wie
er nns hier erscheint (abgesehen von seinen wohlbekannten
Genrebildern im 9(ococo); gehört zu dieser Art von
Künstlern L. von Hagn mit seincm „Briefleser". —
Entschiedener findet hier Chavet eine Stelle, der, wenn
er anch nns nicht zugehört, mit seincn Kabinetstückchen
:i 1nMeissonier, „derAdvocat", '„derBilderfreund",
„d'er Geigenspieler", Anspruch darauf hat, an diesem
Orte nicht übergangen zu werden. Die Feinheit der
Charakteristik und die wolthuende Wirkung der Bilder
sind über jedes Lob erhabeu. — Weil ich nicht weiß, wo
ich ihn sonst unterbringen soll, erwähne ich hier Friedrick'
Werner, wenngleich man Unrccht hat, ihn als Koloristen
;n bezeichnen. Sein „Dr. Eliesar Bloch, der märkische
Ichthyologe", wie er dasteht mitten zwischen seinem Stu-
diengeräth, die Brille Pntzend, uni die Fische in Augen-
schein zu nehmen, die ihm ein kleines dralles Mädchen im
Netze darreicht, ist er ein solcher Urtypns leutseliger Ge-
lehrsamkeit, daß man ihn lieb gcwinnt. Und so bunt es
bei ihm nicht bloß in Bezng auf Ordnung, sondern auch
auf Farbe der Sachen aussicht, schlicßt sich doch alles zu
einem recht angenehmen Gesammteindrnck zusammen.

Wir kämen nnn zu den Mcistcrn der umfangreichen
Kompositionen von Lebensbildern, deren KreiS kein ein-
scitiger, eng beschränkter ist. Knans hat den Ruhm, der
Hcros dieser Gattnng zu sein. Doch hat jüngst Vautier
mit vielem Eifcr ihm den Rang streitig zu machen ver-
sucht. Wenn er in dem Werth des einzelnen Bildes den
Meister der „Taufe" noch nicht ganz erreicht hat, so ersetzt
er das ihm hier abgehende dnrch eine seltene Fruchtbarkeit.
Von jenem zählen wir fünf, darunter sein Meistcrstück,
von diesem sechs Bilder. Die nähere Betrachtung dieser
und der übrigen Genremaler bleibt jedoch vorbehalten.
Ebenso eine Notiz über die französischen und belgischen
Gemälde, die seit zwei Tagen bei Sachse ausgestellt sind.

Unser Magistrat hat den Stadtverordneten einen An-
trag bezüglich der Feierlichkeiten beim Einzuge unserer
Truppen zugehen lassen, der gar großartige künstlerische
Pläne enthält. Nicht allein soll am Tage des Einmarsches

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