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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Petzold, Bruno: Die Ausstellung von Werken Leipziger Künstler im Leipziger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0010

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Die Ausstellung von Werken Leipziger Künstler im Leipziger Kunstverein.

s

Musik die Teilnahme der Gebildeten in hohem Grade
in Anspruch nehmen, so dass für die Bestrebungen
der darstellenden Künste nicht mehr gar viel übrig
bleibt. Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse hat
es Leipzig schon seit langer Zeit verstanden, sich
einen geachteten Namen als Stätte der bildenden
Kunst zu verschaffen; hier waren Oeser und Tisch-
bein als Leiter der Kunstakademie thätig; hier machte
Julius Schnorr von Carolsfeld seine ersten Studien;
Preller's Odysseelandschaften und Gustav Jägers
Fresken für das Herderzimmer in Weimar wurden
in Leipzig entworfen, und mit Stolz blickte die
Stadt auf ihre Kunstschule unter dem 'Direkto-
rium der letztgenannten Meister. Die Traditionen
dieser Männer hätten den Leipziger Künstlern
das Recht geben können, schon eher einmal in
größerer Zahl vereint mit einem Teil ihrer Werke
an die Öffentlichkeit zu treten; der sittliche Mut da-
zu brauchte ihnen nicht zu fehlen; das beweist die
Ausstellung von Werken 82 Künstlern Leipzigs,
welche jetzt im Leipziger Museum zum ersten Male
veranstaltet worden ist, und der wir im folgenden
unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen.

Den Leistungen gemäss ist es nur billig die
Werke der Bildhauer an erster Stelle zu bezeichnen.
Werner Stein's Modell zu dem Denkmal von Dr.
Johann Smidt, des Bürgermeisters von Bremen und
Gründers von Bremerhaven, ist ein Werk von edlem
monumentalen Charakter; sein zwerghafter Gold-
schmied ist ein Athlet unter den Gnomen, während
das einen Lilienkelch tränkende Mädchen ein Bild
duftigster Zartheit genannt werden muss. Sein
Meisterwerk aber scheint der Bildner in der Statue
des Kain geschaffen zu haben; es ist der Kain vor
dem Brudermord, der Grübelnde, mit Gott und der
Welt Hadernde, der erste Philosoph, auf dessen
geistvollem, düster zu Boden gerichtetem Antlitz man
die Worte Byrons zu lesen glaubt: „Ich fühl' der
Arbeit Last, des Denkens stete Pein, seh' eine Welt
um mich, in der ich nichts"! Aber der nervige Arm
zeigt Kraft und in dem gedrungenen Nacken steckt
verhaltene Gewaltthat. Eine ganz andere Auffassung
offenbart der zweite Kain der Ausstellung, aus Joseph
Magr's geschätzter Künstlerhand hervorgegangen;
nur der Kopf hat hier Berücksichtigung gefunden,
aber was liegt in diesem Kopfe! Nichts von der
weltschmerzlichen Reflexion des Stein'scben Kain,
aber alles von jenem himmelstürmenden titanischen
Trotze, jener gigantischen Gottesverachtung, welche
dem Höchsten die Worte ins Gesicht zu schleudern
wagt: „Ich kenne nichts Ärmeres unter der Sonn',

als eure Götter"! Dieser Kain ist eine Prometheus-
natur, ganz Wildheit, ganz Widersetzlichkeit; es ist
der Kain nach vollendeter That, der den blutbe-
fleckten Holzscheit in die Falten seines Gewandes
geborgen hat, auf dessen leidenschaftlichem, von
struppigem Bart umrahmtem Gesichte bereits die Er-
schlaffung nach höchster Kraf'tanspannung zu merken
ist. Magr's Relief-Allegorie „Das Schicksal" hat be-
reits durch Ankauf für das städtische Museum ver-
diente Berücksichtigung gefunden; die Grundauffas-
sung des Ganzen ist anerkennenswert, weil sie wahr
ist und Licht- und Schattenseiten des menschlichen
Lebens in gleicher Weise zum Ausdruck bringt;
aber es fehlt dem Werke, was wir im Kain fanden:
das Gewaltige; ein Schicksal, welches mit zarter
Hand und schwachem Arm Kinder knechtet und
Kinder beglückt, scheint uns kein Schicksal zu sein;
die Lösung des Problems kann uns nicht befrie-
digen. Ein schönes Talent mit hoher Idealität ver-
bindet Adolf Lehnert; sein „Blumenmädchen" wett-
eifert in Zartheit der Formen mit Werner Stein's
oben genanntem Werke; seine beiden Männer-
statuetten zeigen die volle Freiheit der Dar-
stellung, während seine Männerbüste in der Weich-
heit der Formen, in der treuen Wiedergabe auch der
kleinsten Gesichtslinien einen mit sinnigem Geist
geführten Meißelbekunden. „Im Meereswogen" nennt
sich eine Brunnengruppe von Johannen Hartmann,
ein Fischermädchen darstellend, welches dem See-
hund zu seinen Füßen einen Fisch in den geöffneten
Rachen hineinwerfen will; die üppigen jugendlichen
Formen des nackten Körpers lassen auf ein sorg-
fältiges Studium schließen, ebenso wie seine beiden
recht gut gelungenen Reliefs von Männerköpfen.
Typische Figuren lieferte G. Seffner in seinen bunt
bemalten Basreliefs, je einen Neger, Indianer und
Chinesen darstellend, während sich der Künstler in
den Marmorbüsten von Beethoven und Mozart zu
idealer Gestaltungskraft aufschwingt. Paul llütiig's
»Amor und Psyche", sowie seine Büste des Herrn
Dr. H. Langer zeigen eine ebenso feine, wie starke
Hand. Schließlich seien noch erwähnt eine Büste
von zur Straßen, und ein sehr sympathisch berüh-
render, vornehm gehaltener und klassischen Ge-
schmack beweisender Mädchenkopf, die „Pensiera"
von Bora Beer.

Dass Leipzig Architekten ersten Ranges zu seinen
Bürgern zählt, ist in fachmännischen Kreisen längst
bekannt; einem größeren Publicum offenbaren es die
zahlreichen architektonischen Zeichnungen und Aqua-'
relle, welche als schwache Proben der künstlerischen
 
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