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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Die mittelalterlichen Wandgemälde im Grossherzogtum Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0040

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Die mittelalterlichen Wandgemälde im Großherzogtum Baden.

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vollends überrascht beim Eintritt in die Burgkapelle,
deren Lang- und Schmalwände, Altarnische, Decke,
Thür- und Fensternische mit Malereien geschmückt
sind.

Der kleine, im ersten Stock des Baues gelegene,
von dicken Mauern umschlossene Raum hat die Form
eines von Nord nach Süd gerichteten lateinischen
Querschiffes, in dessen östliche Längswand eine
Nische eingebrochen ist. In den beiden Schmal-
wänden gegen Norden und Süden sind Thür und
Fenster angebracht. Die Südwand läuft ungeteilt
fort. Die Höhe des Raumes beträgt mit Einrech-
nung des Tonnengewölbes 4 m, die Länge mit
Thür- und Fensternische T1^, die Breite ca. 23/4 m.
Nicht weniger als 61 getrennte, doch in geistigem
Zusammenhange stehende Darstellungen bedecken
die Flächen dieses winzigen Raumes. Sie sind auf
den ziemlich dick aufgetragenen Kalkgrund in
Temperamanier gemalt. Unter den angewandten
Farben stechen Grün, Rot und Blau, dazu Metall-
gold und Weiß besonders hervor. »Die farbige Wir-
kung muss einst, als das viele Gold noch an der
Decke und den Wänden glänzte, eine höchst prunk-
volle gewesen sein."

Es handelt sich wieder um eine jener figuren-
reichen cyklischen Darstellungen der Hauptmomente
aus der christlichen Heilslehre, wie sie die mittel-
alterliche Kunst allerorten uns hinterlassen hat.
An den Wänden sind es vornehmlich die heiligen
Männer und Frauen, die Streiter und Märtyrer, die
Apostel und Diener der Kirche, welche in mannig-
fach bewegten Einzelgestalten zu zwei Reihen über
einander die Flächen ausfüllen. Dazu kommen ein-
zelne Momente aus der Heilsgeschichte, wie die Ver-
kündigung (an der Eingangs wand), die Anbetung
der Könige und die Kreuzigung (an der Fenster-
wand), und symbolische Darstellungen, wie die un-
mittelbar über der Thür angebrachte „Hand Gottes",
das Zeichen des Segens und des Friedens, dann
(gleichfalls- an der Fensterwand) die Madonna, die
Halbfigur des Heilands in der Altarnische, endlich
(an der Decke) die grandiose Gestalt des am blauen
Himmelsgewölbe erscheinenden Erlösers in der
Mandorla, umgeben von den Evangelistensymbolen
und den vier Kirchenlehrern.

.Die Ausführung ist ungleich, in den Neben-
dingen handwerksmäßig resolut, in den Hauptbildern
und Gesichtern zart und sorgfältig." Zu den streng-
sten und in der Durchbildung der Köpfe zugleich
vollendetsten Teilen der Malereien gehört das im-
posante Deckenbild. In ihm tritt die Persönlichkeit

des Meisters klar hervor, anderes trägt hingegen den
unverkennbaren Stempel von Gesellenarbeit.

„Der Meister der Zwingenberger Bilder gehört
der schwäbischen und zwar der Ulmer Schule an.
Kopfform, Gesichtsausdruck, die ganze Anordnung
und Färbung, die Art der Anlage, die aufgemalten
Bögen, Ornamente, Bänder, Sprüche, die Dekoration
mit Wappenschildern und Medaillons, der Reichtum
des Werks weisen auf Neclcarschwaben hin, wo im
ersten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts ähn-
liche Werke mehrfach entstanden sind." — „Von
Wimpfen, der Reichsstadt am Neckar, stammen die
Erbauer der Burg und Kapelle, Heinrich Eisenmenger
und sein Tochtermann Seyfried Maurer. Manches
erinnert an die im Jahre 1428 gemalten Bilder der
Veitskirche in Mühlhausen am Neckar." Der Heraus-
geber tritt dieser Ansicht des Textverfassers bei und
präzisirt sie nur dahin, dass es sich in Mühlhausen
um drei zeitlich verschiedene Bilderfolgen handelt,
von denen die ältere, bereits um 1400 entstandene,
in Stil und Technik die nächste Verwandtschaft mit
den Zwingenberger Wandgemälden zeigt, während
die Bilder der Veitslegende im Chor der Kirche von
Mühlhausen, unter denen sich die von Leutz ange-
gebene Jahreszahl 1428 befindet, viel flotter und
derber gehalten sind; eine dritte Periode stellen die
Bilder an den Längswänden der Kirche dar, die
arg zerstört und bisher nicht genau zu bestimmen
sind.

Derartige wertvolle Nachträge und Berichti-
gungen hat Prof. v. Oechelhäuser noch viele zu dem
Leutz'schen Texte hinzugefügt, und er musste sich
dazu namentlich deshalb veranlasst fühlen, weil der
treffliche Verfasser des Textes, der im J. 1886 zu-
erst die Zwingenberger Wandgemälde sachgemäß be-
handelt hatte, inzwischen verstorben war, als es sich
um die Redaktion jener älteren Abhandlung für die
Zwecke des vorliegenden Werkes handelte.

Schließlich ein Wort von den beigegebenen Ta-
feln. Dieselben bestehen, abgesehen von einem Über-
sichtsblatt, aus 37 mustergiltig behandelten Licht-
drucken, von denen einer polychrom, die übrigen in
dunkelbräunlichem Ton gehalten sind. Die farbige
Tafel rührt von C. Wallau in Mainz, die übrigen
Blätter rühren von G. Schober in Karlsruhe her. Als
Vorlagen für diese Reproduktionen dienten die stil-
getreuen Kopieen des Gemäldecyklus, welche der
Zeichenlehrer K. Fr. Gutmann in Karlsruhe in der
Größe und in den Farben der Originale nach einem
eigenen Verfahren hergestellt hat und welche mit
Genehmigung des Großherzogs von Baden, in dessen
 
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