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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Stiassny, Robert: Baldung-Studien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0058

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Baidung-Studien.

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die breitflächige Modellirung des feisten Antlitzes,
das beträchtlich, älter erscheint als auf dem Karls-
ruher Gruppenbilde, entsprechen in der That dem
Porträtstil des Künstlers und erinnern besonders an
das männliche Bildnis von 1515 in der Kais. Galerie.
Das Gegenstück, Elisabeth v. d. Pfalz, in lichtgelber
Haube und Leibchen von Goldstoff mit grauen, per-
lenbestickten Einsätzen, nähert sich durch die An-
ordnung und den gewählten Farbengeschmack der
Kleidung entschieden den Töchterbildnissen des Karls-
ruher Familiengemäldes. Die Pinselschrift Baldung's
ist in diesen Nachbildungen treu genug bewahrt,
um den auch durch äußere Gründe nahegelegten
Rückschluss auf diesen Künstler als den Maler der
Vorlagen anangreifbar erscheinen zu lassen. Für
die Datirung ist durch das Todesjahr Elisabeth's,
1522, eine obere Zeitgrenze gegeben; nach der bei
Kopieen freilich doppelt misslichen Wahrscheinlich-
keitsberechnung des Alters der Dargestellten wird
man die Bildnisse etwa 1515 — 1520 anzusetzen haben.
Kenner befindet sich nur im Irrtum, wenn er das
Original des Wiener Porträts Philipp's in Nr. 286
der Pinakothek vermutet. Dieses stellt nicht den
badischen Philipp dar, wie die älteren Auflagen
des Kataloges annahmen, sondern den Pfalzgrafen
Philipp, den vierzehnjährigen Bruder des nachmali-
gen Kurfürsten Ott-Heinrich, des berühmten Er-
bauers des Heidelberger Schlossflügels. Das aben-
teuerliche Leben dieses unglücklichen — im Kata-
loge grundlos der ,Kriegerische" beigenannten —
Fürsten, dessen treuherzigen Knabenkopf Baidung
so anziehend wiedergegeben hat, ist von Ott-Heinrich
selbst beschrieben worden in dem merkwürdigen
biographischen Versuch „Herzog Philippsen Pfalz-
graf Ruprechts Sohns (Anno 1503 zu Heidelberg
geboren), Leben und Sterben kurtz verzaichnet durch
Sr. Fürstl. Gnaden Bruder Pfalzgraf Ott Heinrichen"
(veröffentlicht in Freyberg's Sammlung Historischer
Schriften, Bd. IV, 241 ff.; vgl. auch Häußer, Gesch.
d. rhein. Pfalz, I, 646—648, und Allgem. Deutsche
Biographie, XXVI, 18 ff.). Im Jahre 1517 nun, aus
dem das Porträt stammt, studirte Philipp an der
Artistenfakultät der Universität zu Freiburg, an der
er unter anderen auch den Unterriebt des Poeten
Philipp Engelbrecht (Engentinus) genoss, der als
Lehrer der schönen Wissenschaften der Nachfolger
von Baldung's Bruder, Caspar, geworden war (vgl.
Schreiber, Gesch. der Freiburger Universität, S. 84 ff.).
Engentin widmete dem Pfalzgrafen in demselben
Jahre 1517 ein im Druck erschienenes „Carmen
paraeneticum". Der Prinz ist also dem Maler jeden-

falls in Freiburg gesessen; und so kann sein Bild-
nis als neuer Beweis dafür gelten, dass Baidung bis
ins Jahr 1517 hinein dort verweilte und nicht
bereits 1516 den Aufenthalt abgebrochen hat, wie

noch vielfach angegeben wird.

* #
*

Mehrere der im Obigen besprochenen und noch
in der Folge zu erörternden Bilder wurden vor
wenigen Monaten an dieser Stelle in der Anzeige
eines Verzeichnisses der Gemälde Hans Baidung
Grien's kurz erwähnt. Diese Anzeige ist in der
„Allgemeinen Zeitung", Beilage v. 10. März, also vor
einem in Fachfragen gar nicht zuständigen Leser-
kreise einer Censur unterzogen worden, auf welche
die „Kunstchronik" ein Wort der Abwehr um so
weniger schuldig bleiben kann, als darin von der
„Mode" derartiger Besprechungen die Rede war.
Der geschätzte Mitarbeiter des Münchener Blattes
vermisste in der Recension den Nachweis einer
„schiefen Gesamtauffassung vom Wesen des Künst-
lers", sowie jede „thatsächliche Berichtigung". Eine
schiefe Gesamtauffassung vom Wesen Baldung's in
dem Terey'schen Kataloge nachzuweisen, ist dem
Referenten freilich nicht gelungen, weil eine Ge-
samtauffassung — sieht man von dem geschmack-
vollen Motto „Auch ich bin ein Maler!" ab — in
diesem zu zwei Drittel mit der Schere gemachten
Verzeichnisse überhaupt nicht zu entdecken ist.
Wohl aber hatte dasselbe durch die Aufnahme einer
Anzahl Baidung völlig fremder und den Ausschluss
gesicherter Arbeiten das GesamtWM vom Schaffen
des Meisters erheblich getrübt und diesem Versuche
galt es entgegenzutreten. Die ex cathedra erteilte
Belehrung über die Pflichten der Kritik, deren erste
es allezeit gewesen ist, Echtes von Unechtem zu
scheiden, hat daher ihre Adresse verfehlt und wäre
von dem Anwalt Terey's besser an seinen Schütz-
ling gerichtet worden. Doch — heißt es an der
citirten Stelle weiter — die Kritik giebt sich nur
den „Anschein, als handle es sich bei den Ausstel-
lungen um lauter ausgemachte Fälle, während dies
thatsächlich bei keinem einzigen der in Frage ge-
zogenen Gemälde Baldung's zutrifft". Gesetzt, diese
Anschuldigung wäre eben so gerecht wie sie ver-
letzend ist, verdiente dann die vorbehaltlose Zutei-
lung der fraglichen Gemälde an Baidung, die in
einem Verzeichnisse selbstverständlich anspruchs-
voller auftritt als ihr Gegenteil in einer Recension,
nicht zu mindestens eine ebenso scharfe Zurück-
weisung? Von einer solchen verlautete aber nichts
in der Anzeige des Kataloges, die derselbe Mitarbei-
 
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