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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Lier, Hermann Arthur: Korrespondenz Dresden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0080

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Korrespondenz.

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an bis gegen Pirna hin erstrecken, ihren Malstuhl
aufzustellen und sich aufs intimste in die eigen-
artigen Reize dieser Gegend, die bis vor kurzem von
den Malern übersehen worden ist, zu versenken. Die
Motive, die sie behandeln, sind daher durchgängig
höchst einfach. Ein leise ansteigender Abhang, der
meist spärlich mit Gehölz bestanden ist, ein kleiner
Bach, der sich durch grüne Wiesen schlängelt, ge-
legentlich ein vollständig ebenes Terrain, in dem
Bauernhöfe oder auch nur einzelne verstreut liegende
Hütten dem Auge den einzigen Ruhepunkt gewähren,
endlich auch eine von dichterem Buschwerk einge-
rahmte Waldwiese, auf der nur ganz selten Staifage
angebracht wird, das sind die Gegenstände, die auf
diesen Bildern in der Regel wiederkehren. Die Lieb-
lingsjahreszeit dieser Maler ist der Frühling und da-
neben der Herbst, während der Sommer und Winter
sie weniger anzuziehen scheint. Eine weitere Be-
schränkung besteht darin, dass die Mehrzahl dieser
Künstler weite Ausblicke vermeidet und nur hier und
da den Versuch macht, schwierige Beleuchtungen
wiederzugeben und das Spiel der Wolken und Lüfte
zu schildern. Dadurch unterscheiden sie sich sowohl
von Jules Dupre als auch von den Münchener Stim-
mungsmalern, denen die Färbung und Zeichnung des
Horizontes vielfach die Hauptsache war. Die Dresdener
bevorzugen entschieden den Vordergrund und besitzen
in seiner sorgsamen, aber nie kleinlichen Wiedergabe
ihre Stärke. Allerdings verrät auf diese Weise ihr
Schaffen eine gewisse Einseitigkeit, die den Münche-
nern wenigstens in ihrer Blütezeit nie eigen war, die
aber leicht erklärlich ist, wenn man bedenkt, dass
wir es hier meistens mit den Arbeiten von Männern
zu thun haben, die noch in den Anfängen ihrer Ent-
wicklung stehen.

Als der reifste und vielseitigste Künstler der
Gruppe muss Carl Bantzer genannt werden. Man
weiß, dass er einer unserer tüchtigsten jüngeren
Figurenmaler ist, wobei wir bloß an sein prächtiges
Bild: „Abendmahl in einer hessischen Dorfkirche"
erinnern wollen. Dass er aber auch als Landschafter
Vorzügliches leisten kann, ersieht man aus seinem
„Vorfrühling am Bach", der jedenfalls eine der
besten Nummern der Ausstellung war. Paul Baum.
brachte zwei niederländische Flachlandschaften, dar-
unter einen von Weiden umrahmten Kanal mit
bunten Wasserpflanzen, der durch seine etwas grelle
Farbigkeit auffiel. Ganz neu waren uns die Studien
Otto Fiseher's, eines jungen Künstlers, der uns zu
den schönsten Hoffnungen berechtigt zu sein scheint.
Seine taubedeckte Wiese am Morgen, durch die ein

schmales Wässerlein dem Beschauer entgegen rinnt,
war eine wahre Freude für jeden, der die Reize eines
solchen bescheidenen Naturausschnittes zu empfinden
versteht. Ahnliche Vorzüge möchten wir den Bil-
dern Emil Olöckner's, Georg Müllers aus Breslau und
Wilhelm 0. Ritter's nachrühmen. Sie zeigen in ihren
Arbeiten in Bezug auf die Wahl ihrer Motive wenig
Verschiedenheit und doch fehlt ihren Bildern nicht
die persönliche Note, die das Zeichen selbständiger
Individualität bildet. Robert Sterl, der in Paris stu-
dirt hat, weicht schon etwas mehr von der Art der
Goppelner ab. Seine Bilder müssen das Entzücken
des Feinschmeckers erwecken, so vornehm sind sie
im Ton und in der Luftperspektive, obwohl er mit
nur wenigen Farben arbeitet und jedem Effekt ab-
sichtlich aus dem Wege geht. Er ist ein Lyriker,
dem die feinsten Regungen des Naturlebens nicht
verborgen bleiben und der sich darauf versteht, das,
was er geschaut hat, mit ungewöhnlicher Feinheit
im Bilde wiederzugeben. Dagegen ist Hans Unger
aus derberem Holze geschnitten. Dieser Maler, der
im vorigen Jahre bei Lichtenberg eine stattliche
Anzahl tüchtiger Studien aus Süditalien vorführte,
debutirte dieses Mal mit einem größeren Bilde,
„Späte Arbeit" betitelt. Es stellte einen Bauer in
Lebensgröße dar, der mit seinem Ochsen an einem
Novemberabend sein Feld pflügt. Das Bild erinnerte
an ähnliche Arbeiten des jüngeren Grafen Kalchreuth
und wirkte insofern typisch, als man in diesem
Bauer nicht ein bestimmtes Modell wiederkannte
sondern das Urbild des Landmannes, der im Schweiße
seines Angesichts sich und die Seinen zu ernähren
bemüht ist. Zeigte dieses Bild, das eine entschiedene
monumentale Größe besitzt, entsprechend der Tages-
zeit matte und düstere Töne, so gefielen die Ziegen
desselben Künstlers, die im Grasgarten vor ihrem
Stall weiden, wegen der Frische der Farben und
den geschickt angebrachten Reflexen auf der Mauer.
Karl Mediz, der, wie wir hören, von Wien nach
Dresden übergesiedelt ist, zeigt wenig oder keine
Verwandtschaft mit den bisher genannten Künstlern.
Sein Gebiet ist der Wald, dem er ganz neue Reize
abgewinnt. Erstaunlich, wie geschickt er die weiße
Rinde der Birken in einem nur aus dieser Baumart
bestehenden Wald zu einem wirksamen Gemälde zu
verwerten versteht, auf dem das Weiß der Stämme
und das saftige Grün ihrer Wipfel und der Wiese im
Vordergrund einen fesselnden koloristischen Gegen-
satz erzeugen. Weniger bedeutend erscheint der
„Kiefernwald" mit seinen blauen Flechten in röt-
licher Abendbeleuchtung. Auch die Gattin von Karl,
 
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