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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0084

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155 Vereine und Gesellschaften. — Ausgrabungen und Funde. — Vermischtes. 156

des Tyrannen entzogen worden, die Stufen des Kaiserpalastes
hinaufgetragen wird, während der Caesar, umgeben von sei-
nen Buhlerinnen und Zechgenossen, aus wüster Orgie auf-
gestört, halb trunken auf der Höhe der Marmortreppe steht.
Alles ist hell im Ton gehalten, der ganze Vorgang ent-
schieden dramatisch in der Behandlung, in dem der Schwer-
punkt auf dem Kontrast beruht zwischen den Fischern,
welche die bewusstlose Agrippina die Stufen hinauftragen,
und den halbnackten Bacchantinnen, die die grausige Scene
beleben. Bei Alex. Franz wechseln genialisch angelegte
Kompositionen mit manchmal inhaltlich ziemlich dürftigen
Entwürfen ab. Der Charakter bleibt fast immer dekorativ,
dennoch liegt oft eine gewisse stimmungsvolle Melancholie
wie ein Hauch darüber und ein fein angelegtes, in grauen
Tonskalen sich bewegendes Farbengefühl. In erster Linie
Kolorist scheint mir Hugo Ziescr zu sein. Er sucht keine
V ertiefung, sondern den rein malerischen Reiz. Seine Nym-
phen und bockbeinigen Gesellen in frischer, farbiger Land-
schaft sagen an sich wenig, haben zuweilen etwas Durch-
sichtiges, aber es sprüht Licht und Luft daraus und der
Schmelz des in breiten Pinselstrichen hingesetzten Fleisches
ist für das Auge ein rein künstlerischer, d. h. malerischer
Genuss. Einen ernsteren anspruchsvolleren Ton schlagt das
biblische Thema: „Gegrüßet seiest Du, Rabbi" an. Auch
hier ist der Farbenschrnelz nicht zu leugnen, der diesmal
dem Gegenstand entsprechend in ernsten tiefen Tönen ge-
halten ist. Aber inhaltlich, seelisch fehlt dem Künstler die
Kraft der Vertiefung. W. Spatz ist durch bereits früher be-
sprochene ältere Sachen vertreten. Hier treten ganz ent-
gegengesetzte Ausgangspunkte hervor, viel Vertiefung, viel
Gemüt, ernstes schweres Ringen nach Ausdruck, aber in
einem kühlen, violetten Farbenton gehalten, der, für
mein Auge wenigstens, des malerischen Reizes entbehrt.
Ein Porträtmaler ersten Ranges scheint in W. Schneider-
Didam zu stecken. Es sind auch einige bereits ausgestellte
Stücke da, die schon besprochen sind, aber sie werden von
den letzten Arbeiten noch übertroffen. Alle sind mit breiter,
sicherer Behandlung, koloristischer Wärme und verblüffender
Ähnlichkeit gemalt. Sie sind so inneren Lebens voll, dass
sie entschieden zu dem Stärksten gehören, was die kleine,
aber vielseitige Ausstellung aufzuweisen hat. Selbst die
talentvollen Männerporträts von Walter Petersen treten gegen
diese in den Hintergrund. — Der Bildhauer Hermann Hid-
diruj (jetzt in Berlin) hat eine ganze Reihe tüchtiger Ar-
beiten geschickt, darunter eine große Reliefgruppe: „Christen-
verfolgung" ; in den Porträtbüsten offenbart er bei den männ-
lichen eine kräftige Auffassung mit Einfachheit verbunden
(z. B. in dem Porträt des Violinvirtuosen Florian Zajic), bei
den weiblichen eine feine seelische Vertiefung.

W. SCHÜLERMANN.

VEREINE UND GESELLSCHAFTEN.

S. Die Archäologische Oesellschaft in Berlin feierte, wie
seit einer Reihe von Jahren, auch diesmal ihr Winckel-
mannsfest am 'J. Dezember, dem Geburtstage Winckelmanns,
in den vorderen Sälen des Architektenhauses. In dem Saale,
wo die Vorträge gehalten wurden, waren Gipsabgüsse, Photo-
graphieen, Zeichnungen, Karten und Pläne ausgestellt, dazu
bestimmt, die Vorträge zu veranschaulichen oder den Fort-
gang größerer Publikationen, der „Karten von Attika", der
„Antiken Denkmäler" und des großen Olympia Werkes vor
Augen zu führen. Herr Gurtius begrüßte die zahlreich er-
schienenen Gäste und Mitglieder, gedachte des Verlustes, den
die archäologische Wissenschaft im abgelaufenen Jahre durch

den Tod Giambattista de Rossi's, Heinrich Brunn's und
Charles Newton's erlitten, und sprach dann über Olympia
in hellenistischer Zeit. Hierauf erläuterte Herr Trendelen-
burg ein attisches Relief der Sammlung Jacobsen in Kopen-
hagen. Herr Kocpp sprach sodann über Schlachtenbilder in
Athen und zum Schluss gab Herr Treu aus Dresden einen
Bericht über die Vorarbeiten zu dem dritten (Skulpturen-)
Bande des großen Olympiawerkes, indem er einige interes-
sante neue Ergänzungen und Zusammensetzungen in Gips-
abgüssen und Zeichnungen vorführte. An die Vorträge
schloss sich ein gemeinsames Abendessen.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE.

Ausgrabungen bei London. Die im Dezemberheft der
Zeitschrift angezeigten Ausgrabungen auf dem Parlaments-
hügel bei London haben nicht zu der für möglich gehalte-
nen Auffindung des Grabes der Königin Baodicea geführt.
Der vom British Museum bestellte Leiter der Ausgrabungen,
Herr C. H. Read, sagt in seinem Berichte an den Grafschafts-
rat, dass sich höchst wahrscheinlich auf dem Parliament
Hill ein uralter britischer Begräbnisplatz aus vorchristlicher
Zeit befunden habe; zunächst lasse sich nichts Näheres fest-
stellen. —:—

VERMISCHTES.

* Eine klassische Bede des ungarischen Ministerpräsi-
denten. Die Wiener N. Fr. Presse vom IG. Dez. 1894 be-
richtet: Das Municipium der Haupt- und Residenzstadt Buda-
pest hat den Ministerpräsidenten Dr. Alexander Weherle unter
dem unmittelbaren Eindrucke der Großthaten desselben für
diese Stadt: der Regelung der Brücken- und Kasernenfrage,
einstimmig zum Ehrenbürger gewählt. Diese beiden An-
gelegenheiten, die für die bauliche Entwicklung Budapests
von heute kaum noch geahnter Wirkung sein werden,
schleppten sich jahrelang unerledigt hin, bis sich Dr.Wekerle
ihrer annahm und sie gewissermaßen über Nacht zur Rege-
lung brachte. Die Überreichung des Ehrenbürgerdiploms
ist heute vormittags im Palais des Ministerpräsidiums mit
angemessener Feierlichkeit erfolgt. Unter der Führung des
Oberbürgermeisters Karl v. Rath, sämtlicher Bürgermeister
und Magistratsräte erschien eine aus sechzig Mitgliedern des
Municipalausschusses bestehende Deputation beim Minister-
präsidenten. Der Oberbürgermeister würdigte die Verdienste
Wekerle's um die ungarische Hauptstadt in dithyrambischen
Worten. Der Ministerpräsident aber antwortete darauf mit
einer Rede, die man überall mit dem lebhaftesten Interesse
lesen wird. Herr Dr. Wekerle sagte: „Meine Herren! Ge-
ehrte Mitbürger! Der Herr Oberbürgermeister bemerkte sehr
richtig, dass es seit der Vereinigung der verschiedenen Teile
der Hauptstadt, ja ich möchte sagen, seit dem Aufstiege
unserer neuen verfassungsmäßigen Ära eine der Hauptrich- '
tungen und Hauptaufgaben der ungarischen Politik gewesen
ist, ein der Würde der ungarischen Nation entsprechendes
Centrum zu schaffen und demgemäß den Fortschritt der
Hauptstadt zu fördern. Diese Richtung, diesen Zweck, die
Förderung der hauptstädtischen Interessen in größerem Maße
habe auch ich als einen Kardinalsatz meines politischen
Glaubensbekenntnisses betrachtet (begeisterte Eljenrufe),
denn ich bin von der unerschütterlichen Überzeugung durch-
drungen, dass die Bedeutung der Hauptstädte im Leben der
Völker um so wichtiger ist, je mehr man der Vereinigung
der Nationalkraft, ihrer sicheren Erstarkung, ihrer raschen
Äußerung bedarf. (Beifall.) Unsere Aufgabe beschränkt
sich nicht lediglich darauf, was wir mehr oder minder schon
 
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