197
Bücherschau.
198
blicksbilder, welche rasche Bewegungen werkwürdig ver- 1
ständnisvoll wiedergeben. Selbst die strahlende Sonne des
Südens weiß des Verfassers Apparat zu bewältigen. Die
Verteilung der Lichtdrucke im Text ist mit viel Geschick
durchgeführt. Wenn wir die Summe der künstlerischen
Leistung überschlagen, so kommt uns wohl ein Bedauern j
an, dass das Werk nicht bestimmt ist, weiteren Kreisen zu- 1
gänglich zu werden. Denn ähnlich, wie von den kostbaren
Büchern des Bibliophilen Majoli kann man von diesem
Buche sagen: „Rothschildi et amicorum". L.
World's Columbian Exposition MDCCCXCIII. Of-
ficial illustrated publication. Art and Architecture, by
William Walton. Philadelphia, printed and published
by George Barrie. Section I—IV. Fol.
* Dieses mit vorzüglichen Textabbildungen, farbigen
Tafeln und Radirungen reich ausgestattete Werk wird den
Besuchern der Columbischen Ausstellung eine wertvolle Er- |
innerung an das dort Geschaute sein. Der übrigen Welt I
gewährt es den Anblick der Ausstellungsgebäude, sowie I
ihres plastischen Schmuckes und künstlerischen Inhalts, |
durch musterhaft ausgeführte Ansichten und Reproduktionen i
und bestätigt auf jeder Seite das fachmännische Urteil über
den hohen Wert der amerikanischen Kunst, das unsere Leser
aus dem Munde W. Bode's unlängst vernommen haben.
Auch der Druck und die sonstige Ausstattung dieser offi-
ziellen Publikation geben den besten Pariser Prachtwerken
an Gediegenheit und Glanz nichts nach.
Das elegante Wohnhaus. Eine Anleitung, Wohnhäuser
außen und innen mit Geschmack zu erbauen und auszu-
statten. Von Lothar Abel, Architekt. Gr. 4°. 326 u.
VI S. Wien, Pest, Leipzig, A. Hartleben's Verlag.
Jedermann wird gern mit dem Verfasser, der als tüch-
tiger Praktiker seit vielen Jahren einen gutklingenden
Namen hat, zugeben, dass trotz der reichen Fachliteratur
eine wirkliche Popularisirung architektonischer Grundsätze
und des durch sie bedingten guten Geschmackes in den
Reihen der kapitalkräftigen Bauherren noch nicht im er-
wünschten Maße Platz gegriffen hat. Gewiss aber wird dies
niemand besser beurteilen können, als der bauende Archi-
tekt selbst, der mit den genannten Personen zu thun hat.
Um nun diesem Mangel abzuhelfen, hat Abel es unternommen,
in „ganz populärer Weise" eine leichtfassliche Darstel-
lung aller ästhetischen Anforderungen zu geben, welche
ein Bauherr an sein Haus stellen kann und soll. Er unter-
stützt diese Darstellung durch 226 Abbildungen, die er mit
anerkennenswerter Wahl zum größten Teil aus älteren
Publikationen, zum kleineren von neuen und neuesten Bauten
bringt. Dieser praktische Teil, der gewissermaßen An-
schauungsunterricht ist, wird gewiss auch sein Ersprießliches
leisten. Der Autor bringt viel Gutes aus Renaissance, Barock,
Rokoko und Klassizismus in einer Reihe mustergültiger
Grundrisse und Aufrisse von Gebäuden, Details derselben
aller Art, eine ebenso große Sorgfalt ist der Innendekoration
zugewendet, sowohl der Stiegenhäuser und Gänge als auch ganz
besonders der Wohnräume; hier ist das dekorative Moment
in reicher, ja oft luxuriöser Weise betont. Zu wünschen
wäre nur gewesen, dass die Provenienz der Abbildungen in
einem Verzeichnis angegeben worden wäre. — Ein ein-
faches und klares System liegt auch den textlichen Aus-
führungen zu Grunde. Nach einer „allgemeinen Betrach-
tung über die Baukunst in bezug auf Wohnhäuser" geht '<
der Autor zur „Anordnung des Grundrisses" über, wobei die
praktisch - nützliche Seite vollkommen berücksichtigt ist.
Nach der „Entwickelung der Fassade" werden die „Unter-
brechungen im Mauerkörper" besprochen, worauf als Ab-
schluss der eigentlichen Hauptaufgabe des Buches dem
,,Inneren Ausbau der Wohnhäuser" das größte Kapitel ge-
widmet wird. — Ein Sachregister schließt das Werk. —
Leider haben wir, was das Textliche betrifft, keine von den
seltenen Ausnahmen vor uns, in denen der Architekt gut die
Feder zu führen weiß, um der Welt die gewiss nicht zu
unterschätzenden Ansichten des Fachmannes vorzuführen.
Es wäre aber ein Leichtes gewesen, das Elaborat viel besser
zu machen, indem es von einem tüchtigen Stilisten über-
arbeitet worden wäre. Damit hätte die Arbeit nichts an
Individualität verloren, sondern wäre nur brauchbarer und
vollkommener geworden. Sie zeigt eine oft so naive Ausdrucks-
weise, dass selbst ein guter zu Grunde liegender Gedanke
dadurch lächerlich gemacht wird; hier und da geht auch noch
die Logik bei der Entwickelung eines Satzes durch — und alles
ist verrannt; wo bleibt da die wirkliche populäre Darstellung?
Geradezu fürchterlich aber wird Abel, wenn er auf die Gotik
zu sprechen kommt, und diese seine drolligen Ansichten, die
man von einem objektiv urteilenden Menschen nicht er-
warten sollte, verdienen tiefer gehängt zu werden; die ein-
zige Entschuldigung für die stark subjektiven Anschauun-
gen ist der Fanatismus des Verfassers für alles Klassische
und aus diesem Abgeleitete. Nach einer sehr unhistorischen
Darstellung der Entstehung der Gotik schreibt Abel folgen-
des : „Mitten in den Zeiten dieses barbarischen Geschmackes
der Baukunst wurden die meisten Städte in Deutschland und
die meisten Kirchen im ganzen Westen unseres Erdteiles
gebaut, an welchen Bauten wir heute noch das Gepräge
einer eigentümlichen, über alle Regeln der römischen Kunst
ausschweifende (sie) Bauart erkennen (!). Diese Gebäude setzen
durch ihre Größe, durch die unermessliche Verschwendung
der Zieraten, aber auch meistens durch den Mangel aller
.Verhältnisse' in Erstaunen." Wie unschuldig! Es kommt
aber noch besser: „Bei dieser Gelegenheit könnte einer
eigentümlichen Praxis des Menschenlebens (?) Rechnung ge-
tragen werden, nämlich der Erscheinung, dass der nur
auf deutschem Boden vorkommende, sogenannte ,triasische'
Sandstein überhaupt zur Entwickelung der mittelalterlichen
Bauweise besonders beigetragen hat und die Entfaltung der
Gotik ermöglichte. In keinem anderen Stein (?) könnte die
erhabene Idee des leichten, himmelanstrebenden Kirchen-
baues ausgeführt werden. Der Marmor ist zu hart und un-
gefügig, die krystallinischen Gesteine eignen sich nur für
Säulen und Gebälke, die Kalksteine haben zu wenig Trag-
kraft; dagegen eignet sich der Sandstein durch seine Bild-
samkeit mit entsprechender Härte verbunden, einzig nur
dazu, in Spitzbögen in die Höhe zu streben und alle Orna-
mente des gotischen Laubwerkes aus sich meißeln zu lassen,
welche die Statuen der Heiligen umgeben. Es muss daher
diesem eigentümlichen Stoffe, an welchem sich der mensch-
liche Geist geübt hat und der seine Ideen zu verkörpern
gestattete, sein Recht gelassen werden. Und so finden wir
die gotische Kunst längs des Rheins, des Mains, des Neckar,
der Mosel, der Saale bis zur Donau nur aus diesem Material
ausgeführt." An anderer Stelle äußert sich Abel folgender-
maßen: „Die Behauptung, ,dass die wahre Kunst nicht in
Grenzen eingeengt werden dürfe1, ist ganz unrichtig und geht
nicht selten, obgleich der Verstand gültige Regeln anerkennt,
von den sogenannten .Kunstgenies' aus, welche bekanntlich
auf alles Wissen und jeden Grundsatz mit Verachtung herab-
sehen." Da letzteres der Verfasser nirgends thut, so ist er
Bücherschau.
198
blicksbilder, welche rasche Bewegungen werkwürdig ver- 1
ständnisvoll wiedergeben. Selbst die strahlende Sonne des
Südens weiß des Verfassers Apparat zu bewältigen. Die
Verteilung der Lichtdrucke im Text ist mit viel Geschick
durchgeführt. Wenn wir die Summe der künstlerischen
Leistung überschlagen, so kommt uns wohl ein Bedauern j
an, dass das Werk nicht bestimmt ist, weiteren Kreisen zu- 1
gänglich zu werden. Denn ähnlich, wie von den kostbaren
Büchern des Bibliophilen Majoli kann man von diesem
Buche sagen: „Rothschildi et amicorum". L.
World's Columbian Exposition MDCCCXCIII. Of-
ficial illustrated publication. Art and Architecture, by
William Walton. Philadelphia, printed and published
by George Barrie. Section I—IV. Fol.
* Dieses mit vorzüglichen Textabbildungen, farbigen
Tafeln und Radirungen reich ausgestattete Werk wird den
Besuchern der Columbischen Ausstellung eine wertvolle Er- |
innerung an das dort Geschaute sein. Der übrigen Welt I
gewährt es den Anblick der Ausstellungsgebäude, sowie I
ihres plastischen Schmuckes und künstlerischen Inhalts, |
durch musterhaft ausgeführte Ansichten und Reproduktionen i
und bestätigt auf jeder Seite das fachmännische Urteil über
den hohen Wert der amerikanischen Kunst, das unsere Leser
aus dem Munde W. Bode's unlängst vernommen haben.
Auch der Druck und die sonstige Ausstattung dieser offi-
ziellen Publikation geben den besten Pariser Prachtwerken
an Gediegenheit und Glanz nichts nach.
Das elegante Wohnhaus. Eine Anleitung, Wohnhäuser
außen und innen mit Geschmack zu erbauen und auszu-
statten. Von Lothar Abel, Architekt. Gr. 4°. 326 u.
VI S. Wien, Pest, Leipzig, A. Hartleben's Verlag.
Jedermann wird gern mit dem Verfasser, der als tüch-
tiger Praktiker seit vielen Jahren einen gutklingenden
Namen hat, zugeben, dass trotz der reichen Fachliteratur
eine wirkliche Popularisirung architektonischer Grundsätze
und des durch sie bedingten guten Geschmackes in den
Reihen der kapitalkräftigen Bauherren noch nicht im er-
wünschten Maße Platz gegriffen hat. Gewiss aber wird dies
niemand besser beurteilen können, als der bauende Archi-
tekt selbst, der mit den genannten Personen zu thun hat.
Um nun diesem Mangel abzuhelfen, hat Abel es unternommen,
in „ganz populärer Weise" eine leichtfassliche Darstel-
lung aller ästhetischen Anforderungen zu geben, welche
ein Bauherr an sein Haus stellen kann und soll. Er unter-
stützt diese Darstellung durch 226 Abbildungen, die er mit
anerkennenswerter Wahl zum größten Teil aus älteren
Publikationen, zum kleineren von neuen und neuesten Bauten
bringt. Dieser praktische Teil, der gewissermaßen An-
schauungsunterricht ist, wird gewiss auch sein Ersprießliches
leisten. Der Autor bringt viel Gutes aus Renaissance, Barock,
Rokoko und Klassizismus in einer Reihe mustergültiger
Grundrisse und Aufrisse von Gebäuden, Details derselben
aller Art, eine ebenso große Sorgfalt ist der Innendekoration
zugewendet, sowohl der Stiegenhäuser und Gänge als auch ganz
besonders der Wohnräume; hier ist das dekorative Moment
in reicher, ja oft luxuriöser Weise betont. Zu wünschen
wäre nur gewesen, dass die Provenienz der Abbildungen in
einem Verzeichnis angegeben worden wäre. — Ein ein-
faches und klares System liegt auch den textlichen Aus-
führungen zu Grunde. Nach einer „allgemeinen Betrach-
tung über die Baukunst in bezug auf Wohnhäuser" geht '<
der Autor zur „Anordnung des Grundrisses" über, wobei die
praktisch - nützliche Seite vollkommen berücksichtigt ist.
Nach der „Entwickelung der Fassade" werden die „Unter-
brechungen im Mauerkörper" besprochen, worauf als Ab-
schluss der eigentlichen Hauptaufgabe des Buches dem
,,Inneren Ausbau der Wohnhäuser" das größte Kapitel ge-
widmet wird. — Ein Sachregister schließt das Werk. —
Leider haben wir, was das Textliche betrifft, keine von den
seltenen Ausnahmen vor uns, in denen der Architekt gut die
Feder zu führen weiß, um der Welt die gewiss nicht zu
unterschätzenden Ansichten des Fachmannes vorzuführen.
Es wäre aber ein Leichtes gewesen, das Elaborat viel besser
zu machen, indem es von einem tüchtigen Stilisten über-
arbeitet worden wäre. Damit hätte die Arbeit nichts an
Individualität verloren, sondern wäre nur brauchbarer und
vollkommener geworden. Sie zeigt eine oft so naive Ausdrucks-
weise, dass selbst ein guter zu Grunde liegender Gedanke
dadurch lächerlich gemacht wird; hier und da geht auch noch
die Logik bei der Entwickelung eines Satzes durch — und alles
ist verrannt; wo bleibt da die wirkliche populäre Darstellung?
Geradezu fürchterlich aber wird Abel, wenn er auf die Gotik
zu sprechen kommt, und diese seine drolligen Ansichten, die
man von einem objektiv urteilenden Menschen nicht er-
warten sollte, verdienen tiefer gehängt zu werden; die ein-
zige Entschuldigung für die stark subjektiven Anschauun-
gen ist der Fanatismus des Verfassers für alles Klassische
und aus diesem Abgeleitete. Nach einer sehr unhistorischen
Darstellung der Entstehung der Gotik schreibt Abel folgen-
des : „Mitten in den Zeiten dieses barbarischen Geschmackes
der Baukunst wurden die meisten Städte in Deutschland und
die meisten Kirchen im ganzen Westen unseres Erdteiles
gebaut, an welchen Bauten wir heute noch das Gepräge
einer eigentümlichen, über alle Regeln der römischen Kunst
ausschweifende (sie) Bauart erkennen (!). Diese Gebäude setzen
durch ihre Größe, durch die unermessliche Verschwendung
der Zieraten, aber auch meistens durch den Mangel aller
.Verhältnisse' in Erstaunen." Wie unschuldig! Es kommt
aber noch besser: „Bei dieser Gelegenheit könnte einer
eigentümlichen Praxis des Menschenlebens (?) Rechnung ge-
tragen werden, nämlich der Erscheinung, dass der nur
auf deutschem Boden vorkommende, sogenannte ,triasische'
Sandstein überhaupt zur Entwickelung der mittelalterlichen
Bauweise besonders beigetragen hat und die Entfaltung der
Gotik ermöglichte. In keinem anderen Stein (?) könnte die
erhabene Idee des leichten, himmelanstrebenden Kirchen-
baues ausgeführt werden. Der Marmor ist zu hart und un-
gefügig, die krystallinischen Gesteine eignen sich nur für
Säulen und Gebälke, die Kalksteine haben zu wenig Trag-
kraft; dagegen eignet sich der Sandstein durch seine Bild-
samkeit mit entsprechender Härte verbunden, einzig nur
dazu, in Spitzbögen in die Höhe zu streben und alle Orna-
mente des gotischen Laubwerkes aus sich meißeln zu lassen,
welche die Statuen der Heiligen umgeben. Es muss daher
diesem eigentümlichen Stoffe, an welchem sich der mensch-
liche Geist geübt hat und der seine Ideen zu verkörpern
gestattete, sein Recht gelassen werden. Und so finden wir
die gotische Kunst längs des Rheins, des Mains, des Neckar,
der Mosel, der Saale bis zur Donau nur aus diesem Material
ausgeführt." An anderer Stelle äußert sich Abel folgender-
maßen: „Die Behauptung, ,dass die wahre Kunst nicht in
Grenzen eingeengt werden dürfe1, ist ganz unrichtig und geht
nicht selten, obgleich der Verstand gültige Regeln anerkennt,
von den sogenannten .Kunstgenies' aus, welche bekanntlich
auf alles Wissen und jeden Grundsatz mit Verachtung herab-
sehen." Da letzteres der Verfasser nirgends thut, so ist er