Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Baldung-Studien, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0160

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
307

Baldung-Studien.

308

deren Häuptern Spruchbänder angebracht sind, in
die Scene. Einen Ausschnitt aus diesem Familien-
idyll, die Annengruppe mit Joseph und Joachim,
hatte Baidung in dem Holzschnitte Eis. 9 ganz ähn-
lich dargestellt. Auch in der farbigen Wirkung
kommt die mit Silbergelb gehöhte Grisaille, die sich
in kräftigem Relief vom blauen Damastgrund ab-
setzt, seinen Helldunkelblättern nahe. Echt griechisch
muten namentlich die Kindertypen an; auch die
Naturtreue, mit der im Vordergründe eine auf dem
Boden liegende Ananas und ein offenes Brevier mit
der Abbildung der ehernen Schlange wiedergegeben
sind, entspricht einer bekannten Liebhaberei des
Künstlers. Das elegante Zeitkostüm der Frauen,
das reiche, wenngleich wenig geschmackvolle Re-
naissanceornament der Bekrönung — „welsch Ding"
nennt es Baidung auf dem Ziegler'schen Glaswappen-
entwurf im Karlsruher Skizzenbucho — stimmen
vortrefflich zu dem halb profanen Charakter der
Tafel, als deren Stifter sich in der Inschrift auf
dem Fußbande die Gewerken der St. Annengrube
in Todtnau nennen. Dieses große Silberbergwerk
im Schwarzwäld hatte erst im Ausgang des Mittel-
alters, als der damals neu aufgekommene Annenkult
auch in bergmännischen Kreisen um sich griff,
seinen früheren Namen „zum Gauch" gegen den
obigen eingetauscht (s. Eb. Gothein, Zeitschrift f.
Gesch. des Oberrheins, N. F. II, 434, und Wirt-
schaftsgeschichte des Schwarzwaldes, 1891, S. 643).
Das Fenster war jedoch keine Schenkung der Werk-
leute, wie Bader, Geschichte der Stadt Freiburg I,
540f. annimmt, sondern der Mitunternehmer, d. h.
der Grubenbesitzer, deren Vorgänger schon im
14. Jahrhundert die Seitenschiffe des Münsters mit
Votivscheiben bedacht hatten.

Unter diesen Grubengewerken spielten die
Snewelin, die reichste und weitverzweigteste Ritter-
familie im Breisgau, eine Hauptrolle (Zeitschr. f.
Gesch. d. Oberrheins N. F. V, 484). Für die Grab-
kapelle einer ihrer Linien im neuen Chore des Frei-
burger Münsters hatte Baidung bereits früher, wahr-
scheinlich 1512 oder 1513, einen Altar ausgeführt,
welcher 1840 auseinandergenommen worden ist. Das
polychrom gefasste Schnitzwerk im Schreine des-
selben, eine heil. Familie auf der Flucht, und die
festen Flügel mit den Bildern der beiden Johannes
sind seither verschollen. Die Innenbilder der be-
weglichen Thüren hingegen, eine Taufe Christi und
Johannes auf Patmos, finden sich heute, zu Einem
Altarblatte vereinigt, in der ersten Kaiserkapelle,
während die abgesägten Rückseiten mit den Figuren

der Verkündigung aus der Blumenegg'schen Kapelle,
wo sie bis vor mehreren Jahren aufbewahrt waren,
in die Domkustodie übertragen wurden (vgl. Schrei-
ber, a. a. 0. S. 264f, Waagen, Deutsches Kunstblatt,
1848, S. 237, Marmon, S. 133, 146, Zeitschr. f. bild.
Kunst, N. F. I, 248 ff., Kunstchronik N. F. V, 224).
Während die Verkündigungstafeln durch die magere
Zeichnung, den steifen, hartkantigen Faltenwurf und
die trockene Färbung noch ziemlich gotisch ge-
mahnen, geben sich die feintönigen Innenbilder mit
ihrer reichen Schwarzwaldlandschaft als echte Vor-
frucht des Hochaltars zu erkennen. Dass der Sne-
welin-Altar nicht lange vor dem Annenfenster (1515)
entstanden ist, erhellt auch daraus, dass Baidung
die Komposition der Offenbarung Johannes' mit
wenigen Abweichungen gegensinnig in einer Buch-
titeleinfassung wieder verwendet hat, die seit 1516
in Drucken der Knoblauch'schen Offizin zu Straß-
burg vorkommt (Abb. Butsch, Bücherornamentik
der Renaissance, I. Bd. 1878, Taf. 71).

An der Ausschmückung zweier Kapellen des
Münsterchores sehen wir also Baidung in hervor-
ragendem Maße beteiligt. Die Vermutung liegt nahe,
dass auch andere Patrizierfamilien bei der künst-
lerischen Ausstattung ihrer Begräbniskapellen sich
seine Mitwirkung nicht entgehen ließen. Und in der
! That tragen die Glasgemälde zweier weiterer Kapellen
im Chorumgang den Stempel Baldung'scher Abkunft.
Zunächst die vier Fenster der Stürzelkapelle, der
westlichsten (ersten) an der Südseite. Auf lila Ran-
kendamast stellen sie links die Anbetung der Drei-
könige in Gegenwart des hl. Konrad, des Namens-
patrons des hinter dem Familienwappen knieenden
Stifters, rechts seine sechs Söhne, die Gattin und
zwei Töchter, alle knieend mit betend zusammen-
gelegten Händen, dar. Renaissancefestons bilden
den oberen Abschluss. Auf der Basis die von
Schreiber, Marmon und Baer mit einigen diploma-
tischen Ungenauigkeiten wiedergegebene Inschrift:
„Conrat stürczel Von buochenn Erbschenk der Lant-
grofschaft Elsses Ritter Docktor R. K. M. Hof/
Kantzier Un sin gemachel fraw Ursola geborne
loucher De(nen G)ott genod Anno XV und ,jm
fünften." Die Jahreszahl 1505 am Schlüsse dieser
Widmung bezieht sich offenbar nicht auf die Ein-
setzung der nach Stil und Technik gut um ein
Jahrzehnt jüngeren Fenster, sondern auf die Grün-
dung oder Schlusssteinlegung der Kapelle selbst.
Denn als im Jahre 1505 mit dem Baue der an-
stoßenden Dniversitätskapelle begonnen werden sollte,
geschieht der allem Anscheine nach als erster im
 
Annotationen