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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Die Märzausstellungen der Düsseldorfer Künstler, [1]
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323

Havanna selbstgefällig gegen die Decke steigen lässt,
gehört zu dem Anmutigsten, was seiner „Feder" ent-
stammt. Oben verdichtet sich der Tabaksqualm zu
einer Gruppe kleiner Porträtähnlichkeiten hier wohlbe-
kannter Schultebesucher, welche ein Bild bekritteln.

Für die Fehlenden tritt Theodor Rocholl kräftig
ein. Seine „Nachzügler bei siegreicher Attaque"
repräsentiren das bedeutendste Bild der Ausstellung.
Eine Schlachtepisode aus dem Winterfeldzug 1871:
Zerstreute Kürassiere jagen über ein im Hinter-
grund von Wald begrenztes Feld. Von kühlen
Morgennebeln leicht umschleiert, bildet das Ganze
einen koloristischen Treffer, wie Rocholl ihn nie
schöner erreicht hat. Aber seine Hauptforce liegt
in dem Vorstellungsvermögen solcher dramatisch
bewegter Augenblicksbilder des Krieges, die eine
etwas patriotisch-tendenziös angehauchte, immer
heroisch erfasste und konzentrirte Stimmung her-
vorrufen. Es ist der Krieg, wie er im Ernst aus-
sieht. Keine Manöverscene. Mit dem innersten
Menschen ist es gemalt, alles aus dem warmen
Herzblut heraus, und darum fließt auch Blut aus
den Wunden der todesmutigen Reiter. Wer Blut
nicht sehen kann, der mag sich ein nettes, lustiges
Manövrebildchen malen lassen, mit humoristischer
Pointe. Da giebt es etwas zum Lachen, und die
Nerven werden nicht erschüttert. Der von dem
verwundeten Reiter im Vordergrund zu einem ver-
zweifelten Satz angetriebene, abgehetzte Gaul ist
ungemein lebendig erfasst und zum überzeugendsten
Ausdruck gebracht. — Wie ich hörte, soll dies
Werk eine Acquisition unserer städtischen Samm-
lung werden, wozu man ihr, im Falle der Verwirk-
lichung, aufrichtig Glück wünschen kann. — Otto
Heichert's größeres Genrebild, .Die Dorfältesten" (politi-
sirende Stammgäste in einer Dorfschenke) gehört
nicht zu seinen glücklichsten Arbeiten, obgleich ihm
auch seine vorjährige Reise nach Paris viel Gutes ge-
bracht hat. Wer das Bild noch im Atelier hat entstehen
sehen, wird das ernste Stück Arbeit dieses hoch-
strebenden und gemütvollen Künstlers anerkennen.
Diesmal schlägt er einen humoristischen Ton an, der
ihm nicht so von Herzen zu kommen scheint. Am
glücklichsten war bis jetzt sein Theodor Körner und das
Bild „Wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe
und Arbeit gewesen," womit er sich seiner Zeit auf
der Berliner Ausstellung von 1890 einführte.

Pfannenschmidt trägt noch zu deutlich den Stem-
pel Eduard von Gebhardts, um uns schon heute ein
abschließendes Urteil zu gestatten. „Christus predigt
in Bethanien (Erste Gemeinde)" ist ein fleißiges,

technisch ungemein tüchtiges Bild, aber es entbehrt,
wie auch Louis Feldmann's in der Kunsthalle aus-
gestellter „Lanzenstich (aus den sieben Schmerzen
Maria)", jeder persönlichen Note. An einer so scharf-
kantigen und dominirend auf die Schüler wirkenden
Eigenart eines Lehrers, wie Gebhardt, kann man auch
unter Umständen — zu Grunde gehen.

■ Professor Wilhelm Sohn hat lange gefeiert. Seine
Lehrthätigkeit und das langsam entstehende Bild
für die National-Galerie mögen ihn vom Ausstellen
abgehalten haben. Jetzt hat er etwas gebracht, was
die Frage „alt oder jung" ad absurdum führt. Es
ist eine Farbenskizze (Ol) und eine Aquarellskizze
zu seinem großen Bilde. Im Kolorit streift die 01-
studie (eine Sterbende, welcher das Abendmahl ge-
reicht wird) an das Beste, was die Venezianer hervor-
gebracht haben, ohne in die sinnliche Glut Markarts
zu fallen. Durch und durch vornehm ist diese Pa-
lette des ältesten lebenden Vertreters einer Künstler-
familie, deren „Adel verpflichtet". Sein Sohn: Alfred
Sohn-Rethel hat eine Erinnerungskizze gebracht, die
etwas sehr Feines im Ton hat. Man verspürt den
Geruch des Weihrauchs, dieses eigenartig Einschlä-
fernde, Süßlich - brenzliche in den Farbentönen des
kleinen Bildchens: „In der Marcuskirche". Weniger
gefiel mir die „Venezianische Spitzenschule", während
die Studie einer alten Frau („Mühselig und beladen")
sehr interessant durchgearbeitet ist. Vielleicht das
Feinste ist die Italienerin mit dem Blütenzweig in
der Hand, welche im ersten kleinen Saal bei Schulte
hängt. So schlicht, so einfach und nobel in Be-
handlung und Kolorit. Warum hat man das nicht
in die Ausstellung mit aufgenommen? Es wäre
gegen die Spitzenschule ein guter Tausch gewesen.
Der dritte „Sohn": Karl Sohn versucht, sich diesmal
selbst zu malen, in jener pastosen, breiten Manier,
die modern sein soll, in welcher er ganz von seiner
früheren Malweise abgewichen ist und sich noch
nicht heimisch zu fühlen scheint. Der junge Lud-
wig Keller bringt koloristisch gute und talentvolle
Porträts, während diejenigen Ferd. Brütts immer mehr
einen Stich ins Helle, Silberne, Kühle erhalten. An
energischer Charakteristik und glücklicher, breiter
Sicherheit hat W. Schneider-Didam mit der Porträt-
skizze seines Freundes Herzog den Vogel abgeschossen.
Sein Herrenporträt, im kleinen oberen Saal, fällt
stark dagegen ab. Uberhaupt trägt dieses Zimmer
etwas den Typus eines Salon des refuses an sich.
Außer Fred. Vezin's prächtigem Doppelporträt von
sich und seiner Gattin ist nicht viel Besonderes
darin zu finden. (Schluss folgt.)
 
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